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Fünfzehnter Abschnitt.
wir nur die äusseren Schichten als gasförmig annehmen. Die
tiefste oder unterste dieser Schichten wird als die heisseste
auch Lichtstrahlen von sehr grosser Intensität aussenden, aber
nur von solchen Farben, deren Schwingungsdauer den Um
laufszeiten der in ihr enthaltenen Atome entspricht, z, B. die
charakteristischen Strahlen von Natrium, von Magnesium, von
Wasserstoffgas, von Eisen u. s. w. Andere Strahlen, welche
von einem nicht gasförmigen Theil des Sonnenkörpers her
rührten, würden ohne Stärkung und Schwächung hindurch
gehen. Folgten nun nicht nach oben Grasschichten, welche
bedeutend kühler sind, so würde das Sonnen-Spectrum uns
eine sehr grosse Anzahl besonders heller Linien zeigen, die
zum Hintergründe das ebenfalls, aber doch weniger, leuchtende
continuirliche Spectrum des festeren Theils der Sonne haben
würden. Der Durchgang der Strahlen durch eine kühle Gas
schicht wird aber an diesem Aussehen des Spectrum um so
mehr ändern, je bedeutender dieselbe ist. Wäre die kühle
Gasschicht nur unbedeutend, so würden die hervorragend hellen
Linien zwar etwas geschwächt werden, indessen doch noch
immer vor den übrigen Theilen des Spectrum sich hervorthun.
Wäre die kühle Gasschicht hei übrigens gleicher chemischer
Zusammensetzung noch stärker, so würden die hellen Linien
der gasförmigen Elemente auf das mittlere Niveau der Hellig
keit gebracht werden können, und man hätte dann ganz ein
continuirliches Spectrum ohne helle oder dunkle Linien, wie
es für gewöhnlich nur feste glühende Körper zu zeigen pflegen.
Endlich, bei noch beträchtlicherer kühler Gasschicht werden
gerade die anfangs hellen Linien dunkler erscheinen als die
gewöhnlichen, unverändert durchgelassenen. Bei der Sonne
ist nun, wie bei der grossen Mehrzahl der Gestirne eine solche
kühle Schicht von erheblicher Ausdehnung vorhanden, wie
man das auch schon aus anderweitigen Gründen erwarten
durfte. So erklärt sich das Auftreten der Fraunhofer'sehen
Linien.
§ io.
Weitere Erörterungen über Spectral-Ersclieinungen.
Viele Erscheinungen, auch einige sehr lehrreiche an der
Sonne, lassen sich übrigens aus der Anwesenheit einer heissen
und einer kühleren Gasschicht allein nicht erklären. Am
deutlichsten zeigt sich das freilich nicht an der Sonne, sondern
bei andern Beobachtungs-Objecten, z. B. am Nordlicht. Es ist
bei dieser, allerdings noch in wesentlichen Beziehungen räth-
selhaften Lichtentwicklung an eine glühende Gasschicht gewiss