Wie Leibniz die Diskontierungsformel begründete.
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Rechnungen, wenn die Sache mit einer einzigen ganz einfachen Gleichung erledigt
werden kann?
Ist die nach n Jahren fällige Summe S und ihr Jetztwert X, so hat man
(18)
zu setzen, woraus sich unmittelbar
(iQ)
ergibt.
Es wäre naiv zu glauben, daß diese Ableitung Leibniz nicht eingefallen
sei 1 ). Er hat sie vielmehr in der Meditatio juridico-mathematica mit Fleiß ver
mieden. Aus welchem Grunde denn?
x) In einer späteren Arbeit „De reditibus ad vitam“ (Leibnizens mathematische Schriften, ed.
Gerhardt, Bd. VII, S. 137) macht Leibniz selbst von dieser Ableitung Gebrauch. Die genannte Arbeit ist,
nebenbei bemerkt, gänzlich verfehlt, weil sie auf der irrtümlichen Voraussetzung beruht, daß der Jetztwert
einer lebenslänglichen Leibrente gleich ist dem Jetztwert einer Zeitrente, deren Dauer der ferneren mittleren
Lebensdauer des Leibrentenempfängers entspricht. Vergl. Essay de quelques raisonnements nouveaux sur la
vie humaine et sur le nombre des hommes, in den Werken von Leibniz, herausgegeben von O. Klopp,
1. Reihe, Bd. V, Hannover 1866, S. 330—331, wo dieselbe irrtümliche Voraussetzung wiederkehrt. Es
ist um so auffallender, daß sich dieser Fehler bei Leibniz findet, als er im genannten „Essay“ (S. 326) und
auch in den „Nouveaux Essais sur l’entendement humain“ (Die philosophischen Schriften von Leibniz, ed.
Gerhardt, V, S. 447) sich auf Johan de Witts Schrift über Leibrenten beruft, in welcher die Leibrenten
werte nach einer, wie es scheint, prinzipiell korrekten Methode berechnet werden. Ist a x der Wert einer
nachschüssigen Leibrente vom Jahresbetrag 1, die einem x-jährigen gewährt wird, und werden durch l x die
Zahlen der Überlebenden des Alters x (nach der Sterbetafel) und durch o der Diskontierungsfaktor
das Alter bedeutet, bei welchem niemand mehr am Leben ist. Schreibt man d x für die Differenz l x —l x _j_^
so hat man auch;
• x a x = ^d x _^_ t J- (g -j- Q-) d x _|_ 2 + (Q + £T + £'*) A-f 3 + •••• + (9 + Q 2 "E Q* + +0^ 1 *) A»_1.
Gerade diese Formel hat Johan de Witt vorgeschwebt. Ob er sich genau an dieselbe gehalten hat (ich
sehe hierbei ganz davon ab, daß es sich bei ihm um halbjährig zahlbare Renten handelt), läßt sich aus der
etwas unklaren und unpräzisen Darstellung Ca n tors (Geschichte der Mathematik, III, S. 45—48) nicht
mit Sicherheit entnehmen. Zeuthen (a. a. O., S. 173) erwähnt De Witts Untersuchung über Leibrenten
nur nebenbei und spricht in diesem Zusammenhang von der „wahrscheinlichen Lebensdauer“, welche in
Wirklichkeit in jener Untersuchung sicherlich keine Rolle gespielt hat. Jedenfalls ist de Witts Schrift von
dem prinzipiellen Fehler frei, den sich Leibniz bei der Berechnung der Leibrentenwerte hat zuschulden
kommen lassen; offenbar war also Leibniz mit dem Inhalt dieser Schrift nur sehr unvollkommen vertraut.
Es ist daher nicht ganz zutreffend, wenn L. Couturat (La Logique de Leibniz d’après des documents
inédits, Paris 1901, S. 241) in Bezug auf Leibniz von einem Studium der Werke von J. de Witt spricht.
Auch M. Cantor beurteilt den Leibnizschen Aufsatz De reditibus ad vitam nicht günstig. Er sagt
(Geschichte, III, 2. Aufl., S. 55), eine Veröffentlichung dieses Aufsatzes nach Halley, also nach 1693,
wäre unmöglich gewesen, „indem Leibniz noch den Standpunkt einnahm, die voraussichtliche Lebensdauer