94
Ladislaus v. Bortkiewicz,
Solange die Beziehnung (56) statthat, sucht der Versicherer die sich
bei ihm durch Neueinzahlungen von Prämien und durch Verzinsung der Prämien
reserve ansammelnden Summen, sofern sie von den Auszahlungen nicht absorbiert
werden, zu einem möglichst hohen Zinsfuß anzulegen. Ein Sinken des Zinsfußes
bedeutet in diesem Fall für den Versicherer einen Nachteil.
Ist aber die Ungleichung (57) erfüllt, so ist der Versicherer nur daran
interessiert, daß die von ihm früher ausgeliehenen Summen sich zu dem ausbe
dungenen Satz weiter verzinsen, oder anders, daß keine Rückzahlung bezw. Kon
version dieser geschuldeten Summen erfolgt. Ein Sinken des wirklichen Zinsfußes
wird hier dem Versicherer sogar von Vorteil sein können, sofern dadurch die
Werte, in denen die betreffenden Kapitalien angelegt sind, in die Höhe getrieben
werden und der Versicherer, um seinen Verpflichtungen gegenüber den Versicherten
nachzukommen, diese Werte zu realisieren veranlaßt sein wird.
Ein näheres Eingehen auf diese Verhältnisse, die, nebenbei bemerkt, in
den Lehrbüchern der Lebensversicherungsrechnung meist gar nicht berührt
werden 1 ), würde in dieser Studie nicht am Platze sein. Es sei nur gestattet, für
einen bestimmten Versicherungsplan, nämlich die lebenslängliche Kapitalver
sicherung auf Todesfall mit lebenslänglicher Prämienzahlung, zu zeigen, wie sich
die Länge des Zeitraums bestimmt, nach dessen Ablauf der Versicherer für die
Prämien, die ihm neu zufließen, und die Zinsen, die die Prämienreserve abwirft,
keine verzinsliche Anlage mehr zu suchen hat, sondern dazu übergeht, die Prämien
reserve selbst zur Deckung seiner Verpflichtungen anzugreifen.
Unter R' m ist dann die am Schluß des m ten Versicherungsjahres vor
handene Gruppenprämienreserve, vermehrt um die Prämien, die am Anfang des
(m-|- i) ten Jahres gezahlt werden, zu verstehen.
Bezeichnet man in der üblichen Weise die Zahl der Überlebenden des
Alters x mit l x , die Prämie mit P x und die (Individual-) Prämienreserve nach m
Jahren mit V x _p ra , so hat man:
R m lx + V x _|_ m “j - lx -(- m P>;
und die Ungleichung (57) nimmt folgende Gestalt an;
1) Einige Andeutungen finden sich bei R. Poussin, a. a. O., S. 145 —146 und 421. Bei der
Erörterung des Einflusses, den ein Zurückgehen des Zinsfußes auf die finanzielle Lage einer Versicherungs
anstalt ausübt, verläßt Poussin den Standpunkt der isolierten Betrachtung einer Gruppe von Versicherten, die
gleichzeitig in die Versicherung eingetreten sind, und wirft verschiedene Gruppen zusammen. Ich dagegen
nehme im Text auf das Ineinandergreifen der verschiedenen Gruppen keine Rücksicht und sehe daher von
dem Nachschub von Versicherten, als einem Umstand, den sich der Versicherer zunutze machen kann, um
dem Einfluß eines gesunkenen Zinsfußes entgegenzuwirken, gänzlich ab. Poussin weist auch darauf hin, daß
die Frage von der Bedeutung, welche eine Änderung des wirklichen Zinsfusses für eine Versicherungsanstalt
hat, mit der Frage der Bewertung ihrer Aktiva aufs engste zusammenhängl.