Sechster Abschnitt. Anwendung der Differential-Rechnung usw. 453
führt, so bewegen sich die Schnittpunkte auf der ersten Kurve
im allgemeinen gegen gewisse Grenzlagen hin, und diese Grenz-
punkte oder letzten Schnittpunkte auf der Kurve u sind durch
die Gleichungen
f(x, y, u) = 0
fu( X > V, u ) = 0
bestimmt. Der Ort dieser Grenzpunkte, durch diese selben
Gleichungen, jedoch bei variablem u dargestellt, ist eine Kurve,
welche man als Einhüllende, ümhüllungslinie oder Enveloppe*)
des Kurvensystems (1) bezeichnet, während man die Kurven
dieses Systems die Eingehüllten nennt. Besteht die Kurven
schar, wie dies bei kinematischen Problemen häufig vorkommt,
aus den verschiedenen Lagen einer bewegten, an sich starren
Linie, so pflegt man die Einhüllende auch mit dem Kamen
Hüllbahn zu belegen.
Damit ist der volle Inhalt der Gleichung (3), wenn sie
ein geometrisches Gebilde vertritt, erkannt; dieses Gebilde setzt
sich zusammen aus dem Orte mehrfacher Punkte der Kurven
des Systems und aus ihrer Einhüllenden, oder es bedeutet auch
nur das eine oder nur das andere. Die Entscheidung darüber,
welcher von diesen Fällen zutriift, wird sich aus einem Satze
des nächsten Artikels ergeben.
Vorher mögen noch einige Bemerkungen hinzugefügt
werden.
Die Ergebnisse beschränken sich nicht nur auf den Fall
algebraischer Gleichungen, sie gelten, sobald f{x, y, u) und die
in Betracht gekommenen Ableitungen dieser Funktion stetig
sind in einem Bereiche, welchem die Punkte der Kurven an
gehören.
Dem Sinne der Herleitung gemäß existiert eine Kurve (3)
nur dann, wenn die Gleichung (1) in bezug auf den Parameter
u zum mindesten vom zweiten Grade ist, die Ebene also durch
die Kurvenschar im allgemeinen wenigstens doppelt bedeckt
wird. Tritt u linear auf, so daß (1) die Gestalt erhält:
(6) V) + y) = 0,
*) Von G. Monge herstammende Bezeichnung. Ygl. die durch
Liouville 1850 besorgte Ausgabe seiner „Application de l’Analyse à la
Géométrie“, p. 30.