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Erster Teil. Differential-Rechnung.
221. Geodätische Linien. Zn Beginn des vorigen
Artikels ist von einer einfach unendlichen Schar von Ebenen
gesprochen worden, welche durch eine einer gegebenen Fläche
aufgeschriebene Kurve G bestimmt ist; es war die Schar der
Tangentialebenen der Fläche in den Punkten von C.
Eine andere einfach unendliche Schar bilden die Normal
ebenen der Fläche, welche die Kurve C in den einzelnen
Punkten berühren; auch sie werden durch eine abwickelbare
Fläche eingehüllt, die im allgemeinen verschieden ist von der
Tangentenfläche der C.
Ist die Kurve so beschaffen, daß die Einhüllende der sie
berührenden Normalebenen mit ihrer Tangentenfläche zusammen
fällt, so heißt sie eine geodätische Linie der Fläche.
Aus dieser Definition läßt sich eine andere ableiten, die
der analytischen Darstellung unmittelbar zugänglich ist. Ist G
eine geodätische Linie, so ist jede sie berührende Normalebene
der Fläche zugleich Oskulationsebene in dem betreffenden
Punkte, enthält somit die Hauptnormale, die also notwendig
mit der Flächennormale koinzidiert. Man kann daher auch
die folgenden Erklärungen für die geodätische Linie aufstellen,
Unter einer geodätischen Linie ist eine solche Kurve auf der
Fläche zu verstehen, deren Oskulationsebene durchweg senkrecht
ist zur Tangentialebene der Fläche in dem betreffenden Funkte;
oder, es ist eine solche Kurve, deren Hauptnormalenfläche auf
der zugrundeliegenden Fläche normal steht.
Jede dieser Erklärungen führt zu einer die geodätischen
Linien charakterisierenden Beziehung.
Bezeichnet man die Koordinaten des Punktes M mit x,
y, z, die Richtungskosinus der Normale der Fläche daselbst mit
X, Y, Z\ die Richtungskosinus der Hauptnormale mit cos h
cos g, cos v — alle Größen als Fuuktionen eines Parameters
z. B. des Bogens s von G dargestellt —, so ist der ersten
Erklärung gemäß auszudrücken, daß die Oskulationsebene
(178, (6)).
1
s-
1
%-*
dx
dy
dz
d 2 x
d 2 y
d 2 z