Full text: Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung (1. Band)

und h mit r zugleich gegen die Null konvergiert, so ist der 
Differentialquotient das Verhältnis der Geschwindigkeiten, mit 
welchen x und f(x) sich im gegebenen Augenblicke in ihren 
Gebieten bewegen. Man kann somit den Satz aufstellen: Der 
Differentialquotient einer Funktion f(x) an einer Stelle x ist die 
Geschwindigkeit, mit welcher sich die Funktion an dieser Stelle 
ändert, wenn die Variable x sich gleichmäßig mit der Geschwin 
digkeit 1 ändert*). 
2) Man betrachte x als Abszisse und f(x) = y als Ordinate 
eines Punktes M in einem rechtwinkligen Koordinatensystem-, 
dann beschreibt M, während x das Intervall («, ß) stetig 
durchläuft, eine Kurve AJ5(Fig. 6). Die den Abszissen OP = x 
Fig. 6. 
und OP' = x h entsprechenden 
Punkte M, M' besitzen die Ordina- 
ten PM = f(x) und P'M' = f(x + h) 
und bestimmen eine Sekante, deren 
Richtung durch den Winkel QMS = cp 
festgelegt werden möge; dann ist 
fix -f- h) — f(x) 
tg cp. 
Konvergiert h gegen die Grenze Null, so nähert sich M' längs 
der Kurve dem Punkte M, und die Gerade MS dreht sich um 
den Punkt M. Die Aussage, der Differenzenquotient konver 
giere dabei gegen einen bestimmten Grenzwert, ist gleich 
bedeutend mit der Aussage, die Sekante nähere sich einer 
*) Yon Betrachtungen solcher Art ist Newton bei Begründung- 
der Infinitesimalrechnung (erste Publikation 1687 in den Philosophiae 
naturalis principia mathematica) ausgegangen; an die Vorstellung des 
VerfHeßens der Zeit anknüpfend nannte er die Variablen Fluenten und 
die Änderungsgeschwindigkeiten Fluxionen, die Infinitesimalrechnung 
FluxionsTcalkül. Newtons Bezeichnung für den Differentialquotienten 
der Funktion y = fix) ist und erklärt sich aus der obigen Darlegung. 
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