Stetigkeit von Funktionen zweier Variablen. — Der Differentialquotient. 93
IV. Abschnitt.
Elemente der Differentialrechnung.
§ 1. Der Differentialquotient und das Differential.
54. Begriff des Differentialquotienten. Unter den Fragen,
die sieh beim Operieren mit Funktionen ein stellen, ist eine der
wichtigsten auf die Änderungen gerichtet, welche die Funktion bei
bestimmten Änderungen der Variablen erfährt, und zwar auf die
Änderungen im großen und kleinen; denn sie machen das aus, was
man den Verlauf der Funktion nennt.
Es sind also Denkprozesse von fundamentaler Bedeutung für die
Analysis, an deren Erklärung jetzt geschritten werden soll. In erster
Linie wird dabei an Funktionen einer Variablen gedacht werden.
Es sei y = f{x) eine in dem Intervall (cc,ß) eindeutig definierte
und stetige Funktion; unter x möge jetzt ein bestimmter Wert im
Innern des Intervalls verstanden werden. Bei dem Übergange von x
zu dem ebenfalls in («, ß) liegenden Werte x + h, wobei also die
Variable die Änderung
A x = h
erfährt, geht der Wert der Funktion in f(x -j- li) über und erleidet
die Änderung
‘4y = 4f{?) =/(> + Ä) — fix).
Je größer bei einem festgesetzten Ax das Ay, oder je kleiner
bei einem angenommenen Ay das zugehörige Ax ausfällt, umso
stärker, wird man sagen dürfen, hat sich die Funktion bei dem be
schriebenen Übergang von der einen Stelle ihres Bereichs zu der
andern geändert, so daß in dem Quotienten
4y _ Af{x) = f{x 4- h) —f(x) - N
/ix 4x h ^
ein geeignetes Maß für die Stärke dieser Änderung zu erblicken ist.
Da Ax, Ay Differenzen zwischen zwei Werten von x, bzw. y darstellen,
so bezeichnet man sie als Differenz der Variablen, bzw. Differenz der
Funktion und nennt (1) den Differenzenquotienten, gebildet an der
Stelle x mit der Differenz Ax = h.
Der Differenzenquotient erfordert also zu seiner Bildung zwei
Stellen des Bereichs; läßt man die zweite der ersten unbegrenzt sich
nähern, h also gegen die Grenze 0 konvergieren, so strebt wegen der
vorausgesetzten Stetigkeit von /(x) auch der Zähler von (1) der Null
als Grenze zu. Man hat es also mit dem Quotienten zweier unend
lich kleinen Größen zu tun, der je nach der Ordnung dieser Größen
einer bestimmten endlichen Grenze oder der Grenze 0 oder der Grenze oo