Full text: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues

86 Cosmologische Briefe 
der Allwissenheit GOttes erschöpfen ? So wenig als 
die Erde das ganze Weltgebäude ist. Wie schwer ist 
es uns, ein denkendes Wesen, ein vernünftiges Ge 
schöpf uns vorzustellen, ohne ihme sogleich zwo Hände, 
zween Füsse, einen Kopf und andere dem Menschen 
ähnliche Glieder zu geben. Wenn wir weit gehen, 
so legen wir noch etwa« Flügel bey, weil wir fühlen, 
daß uns die Kunst zu fliegen fehlt. Wir würden eben 
so Floßfedern hinzu fügen, wenn das Schwimmen 
dem Menschen unmöglich, und der Tod nicht eine Fol 
ge des Erfäufens wäre. 
Indessen muß ich doch sagen , daß mir das Licht 
viel zu allgemein durch die ganze Welt verbreitet 
scheint, als daß es den Erdbewohnern alleine dienen 
sollte. Ich will damit nicht sagen, daß eben alle Be 
wohner aller Welten Augen haben müssen, wie die 
unsrige. Es können noch mehrere Wege seyn, wo 
durch die Bilder der sichtbaren Dinge sich der Seele 
denkender Geschöpfe vorstellen, so sehr wir daran ge 
wöhnt find , die Stralenbrechung und das Bild auf 
dem Netzhäutgen als nothwendig anzusehen. Die 
Natur des Lichtes , seine Wirkungen, die Gemeinschaft 
zwischen der Seele und dem Leibe find uns entweder 
noch gar nicht, oder doch nur in so ferne bekannt, als 
wir die Eindrücke, so das Licht auf uns macht, empfin 
den, und das übrige durch Schlüsse zu ersetzen suchen, 
zu welchen wir doch keine andere Grundsätze haben, als 
die wir durch unser Sehen erlangen. Uebrigens kann 
es doch seyn , daß viele unter den Bewohnern anderer 
Welt-
	        
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