Full text: Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung (2. Band)

370. Die Clairautsche Differentialgleichung 
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lären Lösung aus denselben Gründen wie vorhin und erscheint wieder 
als Grenzlinie der übrigen Integralkurven; doch besteht der Unterschied, 
daß im Falle einer Knotenlinie die Annäherung an die Grenzkurve von 
beiden Seiten, im Falle der Rückkehr kante nur von einer Seite erfolgt. 
Die vorstehende Betrachtung lehrt also, daß nicht immer die singu 
läre Lösung die Einhüllende der partikulären Integralkurven zu sein 
braucht, sondern daß sie ausnahmsweise auch als deren Grenzkurve er 
scheinen kann. 
Dadurch sind alle vorhin besprochenen Erscheinungen räumlich er 
klärt bis auf den Ort von Berührungspunkten getrennter Integralkurven; 
diese Erscheinung entspringt aber erst aus dem Projektionsverfahren und 
hat kein Äquivalent im Raume. 
320. Die Clairautsche Differentialgleichung vom Stand 
punkte der Theorie der singulären Lösungen. Die Clairautsche 
Differentialgleichung, die in der Frage der singulären Lösungen histo 
risch eine bemerkenswerte Stellung einnimmt 1 ), bietet auch theoretisch 
einiges Interesse dar. 
Yor allem sei festgestellt, daß man zu derselben Diskriminantenglei 
chung kommt, ob man von der Differentialgleichung 
y = xy' + f(y) 
oder von ihrem allgemeinen Integral (364) 
(1) 
y — Cx -f- f(G) 
(2) 
1) Man knüpft die Erscheinung der singulären Lösung gewöhnlich an den 
Namen A. Clairauts, der in einer Abhandlung aus dem Jahre 1734 (s. Fußnote 
zu 864) das Auftreten und die analytische Bestimmung einer solchen Lösung an 
der Gleichung y' s — (x -j- l)y' -}- y = 0 gezeigt hat, die nach der heutigen Termi 
nologie eben eine Cla ir autsche Differentialgleichung ist. Doch finden sich Gedanke 
und Verfahren und auch schon die Bezeichnung „singulär“ bereits 1715 bei B. Taylor 
in dessen Methodus incrementorum vor. An der weiteren Ausbildung der Theorie 
beteiligten sich insbesondere J. Lagrange, in neuerer Zeit A. Cayley und 
G. Darboux. Genaueren Aufschluß brachten die Arbeiten von M. Hamburger 
(Über die singulären Lösungen der Differentialgleichung erster Ordnung. Journ. 
f. d. reine u. angew. Mathem., Bd. 112 (1893)) und W. v. Dyck (Über die singu 
lären Lösungen einer Differentialgleichung erster Ordnung mit zwei Variablen, 
insbesondere über diejenigen, welche zugleich partikuläre Integrale sind. Abhandl. 
der königl. bayer. Akad. d. Wisaensch., Bd. 25 (1910)), erstere mehr nach der 
analytischen, letztere nach der geometrischen Seite.
	        
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