Full text: Gesammelte mathematische Werke (3. Band)

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Journal, Bd. 92) hat Kronecker einen Wunsch erfüllt, den ich schon 
öfter, zuletzt im Juni 1880 bei Gelegenheit der Enthüllung unseres 
Braunschweiger Standbildes von Gauß ausgesprochen hatte, wo zu 
gleich verabredet wurde, daß diese Abhandlung vor der von H. Weber 
und mir ausgearbeiteten Theorie der algebraischen Funktionen 
einer Veränderlichen in Grelles Journal erscheinen sollte. Ihr In 
halt war auch für mich vollständig neu, da ich nach einer alten brief 
lichen Mitteilung aus dem Jahre 1857 geglaubt hatte, die Theorie 
Kroneckers auf ganz anderen Wegen suchen zu müssen, die ich in 
§ 10 meiner Schrift Sur la théorie des nombres entiers algé 
briques (1877) angedeutet habe. Ein sicheres Urteil über die Vor 
züge und Nachteile dieser Theorie auszusprechen, deren hohe Be 
deutung unzweifelhaft ist, halte ich jetzt noch nicht für möglich, da 
in der Abhandlung nur die Grundgedanken in großen Zügen vor 
gezeichnet sind; ich möchte daher den Wunsch aussprechen, daß einer 
der zahlreichen Schüler Kroneckers es unternähme, eine vollständige, 
systematische Darstellung dieser Theorie auszuarbeiten; einen kleinen 
Beitrag dazu habe ich vor kurzem in den Mitteilungen der Deutschen 
mathematischen Gesellschaft in Prag (1892) zu geben versucht. Be 
denkt man, welche Umgestaltungen andere Teile der Mathematik, 
z, B. die Theorie der elliptischen Funktionen, seit ihren ersten Anfängen 
im Laufe der Zeit erlitten haben, so wird man es für sehr wahr 
scheinlich halten, daß auch für die Idealtheorie noch einfachere 
Grundlagen, als die bisher bekannten, aufgefunden werden. Als eine 
solche Grundlage kann z. B. der von mir aus der Idealtheorie ab 
geleitete Satz (S. 465, 541, 577 der zweiten, dritten, vierten Auflage 
dieses Werkes) über den größten gemeinsamen Teiler von zwei be 
liebigen ganzen algebraischen Zahlen angesehen werden, und ich habe 
schon vor vielen Jahren versucht, diesen Weg einzuschlagen; hierbei 
ist es mir zwar nicht gelungen, eine wesentliche Vereinfachung zu 
erzielen, weil ich den unmittelbaren Beweis dieses Satzes doch nur 
mit denselben Hilfsmitteln führen konnte, welche im wesentlichen 
auch meiner Theorie der Ideale zugrunde liegen; immerhin möchte 
ich diesen Weg jüngeren Mathematikern zur Beachtung empfehlen, 
welche unbefangen dieses Feld der Forschung betreten, und denen 
deshalb ein solcher Beweis wohl leichter gelingen mag als mir. 
Bad Harzburg, 30. September 1893.
	        
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