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§. 378. Die Veranlassung zur Erfindung der allge
meinen Auflösung der Gleichungen vom vierten Grade gab
ein gewisser Johann Colla, ein unsteter Mensch, der
sich ein Vergnügen daraus machte, den Mathematikern
schwere Fragen vorzulegen. So hatte er die Aufgabe
bekannt gemacht, drei Zahlen zu finden, die eine geome
trische Progression bilden, deren Summe —10, und das
Product der ersten und zweiten —6 ist. Nennt man die
zweite Zahl x, so ist die erste - und die dritte Man
X o
hat also die Gleichung x + —+—=10, oder.r 4 +si.r' :
x 6
+36 —60m. Man hielt diese Aufgabe für unauflöslich.
Nur Cardan verzweifelte nicht an ihr, und ermunterte be
sonders seinen scharfsinnigen Schüler Ludovico Fer
rari *), sich daran zu wagen. Ferrari arbeitete mit glück
lichem Erfolge; er erfand in der Auflösung der vorgeleg
ten Aufgabe die allgemeine Auflösung biquadratischer Glei
chungen. Man wird sich gerne mit seinem Verfahren be
kannt machen, daher lassen wir es hier folgen.
Ferrari hoffte die Auflösung biquadratischer Gleichun-
*) Ferrari wurde 1522 zu Mailand in einer ehrbaren, aber
durch die Zeitumstande zurückgesetzten, Familie geboren. Cardan
nahm ihn mit 15 Jahren als Diener an,.bei welchem er mit so
gutem Erfolge der Mathematik oblag, daß er diese schon mit 17
Jahren öffentlich vortrug. Er erwarb sich hohe Gönner, und
sie verhalfcn ihm zu dem Aufträge, eine Karte des Mailändischen
Staats zu entwerfen, woran er 8 Jahre arbeitete. Er begab sich
von Mailand nach Bologna, wo Cardan damals war, und lehrte
dort wieder Mathematik. Er starb hier im Jahre 1565, man
vermuthet, von der eigenen Schwester vergiftet, die nach seinem
Vermögen lüstern war. Cardan schildert ihn als einen vergnü
gungssüchtigen, äußerst jähzornigen und unmoralischen Menschen.