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gen §. läßt sich schon schließen, daß jede Gleichung nicht
mehr positive Wurzeln haben werde, als sie Abwechselungen
der Zeichen hat; und nicht mehr negative, als sie Folgen
der Zeichen hat.
Wahrscheinlich fand man auf diesem Wege den obigen
Satz, und man versuchte nun wohl durch Proben, ob er
auch für alle Falle passe.
Mit Unrecht nennen ihn Manche Harriots Lehrsatz,
indem Harriot ihn gar nicht kannte. Descartes stellt diesen
Satz in seiner Geometrie (1637) zuerst auf, und vermuth
lich ist er selbst dessen Erfinder. Da man die imaginären
Wurzeln weder als positiv noch als negativ ansehen kann;
so darf man den Satz nicht allgemein so ausdrücken, daß
eine Gleichung so viele positive Wurzeln habe, als Abwech
selungen der Zeichen, und so viele negative Wurzeln, als
Folgen der Zeichen. Der Satz, so gestellt, gilt nur dann,
wenn die Gleichung keine imaginäre Wurzel enthält. Des
cartes hat entweder diese Beschränkung übersehen, oder doch
dunkel ausgedrückt. Er wurde späterhin von Nobervalt
darüber angegriffen, der ihm eine Gleichung vom vierten
Grade vorlegte, wo sein Kennzeichen trog. Descartes berief
sich bei seiner Vertheidigung darauf, daß er gesagt habe,
cs könne eine Gleichung so viele positive und negative Wur
zeln enthalten, als sie respective Abwechselungen und Folgen
der Zeichen habe; er habe jedoch nicht gesagt, sie enthalte
wirklich so viele *).
*) Die betreffende Stelle heißt wörtlich (Geometrie, Paris 1705,
P. 108): On commit aussi de ceci, combien il peut y avoir de
vraies racines et combien de fausses (négatives) en chaque équation,
und DeScartes möchte wohl durch dieselbe gegen die derzeitigen
und spätern Angriffe von Robervall, Wallis, Rolle, Klügel re. zu
vertheidigen seyn.