REDE AM 3. AUGUST 1900.
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repräsentiren, während die sogenannten imaginären Grössen im Stande sind,
die Lage der Punkte der ganzen Ebene zu bestimmen. Der Schritt von den
realen Grössen zu den sogenannten imaginären erschien nicht gewagter als
der von den ganzen Zahlen zu den Brüchen, yon den rationalen Zahlen zu
den irrationalen u. s. w. Da der Name imaginäre Grössen viel zur Ver
wirrung der Begriffe beiträgt, so ist für diese Grössen allgemein die Be
zeichnung complexe Grössen angenommen worden.
Wenngleich Gauss in seinen Schriften zahlreiche Belege dafür hinter
lassen hat, dass er über die Principien der Mathematik tiefe philosophische
Speculationen angestellt hat — so hat er sich beispielsweise bei Gelegenheit
der Rechtfertigung der complexen Grössen nicht enthalten können, in einer
Fussnote gegen einen von Kant herrührenden Beweis der Vorstellung, dass [6
der Baum nur eine Form unserer äusseren Anschauung sei, Stellung zu
nehmen — so ist er dennoch als ächter Mathematiker und Naturforscher für
das Recht der complexen Grössen erst auf Grund der thatsächlichen Wahr
nehmung eingetreten, dass diese Grössen ebenso unentbehrlich seien, wie die
sogenannten realen, dass erst durch die Anwendung der ersteren gewisse Ge
setze der Arithmetik einen allgemeinen Charakter gewinnen können. Es ist
charakteristisch, dass Gauss gerade auf einem Gebiete die complexen Grössen
zum Siege führen konnte, welches, wenn der Ausdruck erlaubt ist, das aller
realste in der Mathematik ist, nämlich auf dem Gebiete der Zahlentheorie.
Die schönen Reciprocitätsgesetze für die quadratischen Reste finden sich schon
bei den biquadratischen Resten nicht mehr vor, solange man einseitig nur
reale Zahlen zulässt; sie erstehen aber, wie Gauss entdeckt hat, in ihrem
ganzen Umfange, sobald man complexe ganze Zahlen in den Zahlenkreis auf
nimmt.
Es ist hier am Platze eines Fortschrittes Erwähnung zu thun, welcher
im XIX. Jahrhundert, nach dem Vorbilde des Vorgehens von Gauss auf dem
Gebiete der biquadratischen Reste, zunächst in der Zahlentheorie gemacht
worden ist. Die complexen ganzen Zahlen sind ganze ganzzahlige Functionen
der vierten Wurzel der Einheit. Während das Gebiet dieser Zahlen insofern
dem Gebiete der realen ganzen Zahlen gleichstand, dass dort wie hier die
Primfactoren der Zahlen demselben Gebiete angehören wie diese, so zeigten
die nach der Analogie gebildeten ganzen ganzzahligen Functionen einer be-