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REDE AM 3. AUGUST 1900.
liebigen Einheitswurzel schon die Abweichung, dass die Primfactoren der Ele
mente dieses allgemeinen Zahlengebietes nicht immer in demselben Zahlen
gebiete gefunden werden können. Dieser Übelstand führte Kummer, welcher
7] durch lange Jahre eine Zierde unserer Universität gewesen ist, zu dem
genialen Gedanken, dem bezeichneten Zahlenkreise die von ihm sogenannten
idealen Zahlen zu adjungiren; das so erweiterte Zahlengebiet gewinnt alsdann
wieder die Eigenschaft, dass die Primfactoren der Zahlen mit diesen zu dem
selben Gebiete gehören. Dieser Schritt von den complexen Zahlen zu den
idealen ist nun zwar in seinem inneren Wesen vollständig von dem Über
gange von den realen Zahlen zu den complexen verschieden. Denn nicht
nur, dass die complexen Zahlen dieselben Rechnungsoperationen gestatten,
wie die realen Zahlen, sondern — wie Gauss schon hervorgehoben hat — es
ist mit den complexen Zahlen das Grössengebiet überhaupt abgeschlossen,
welches sich dieser Eigenschaft erfreut. Wenn ich dennoch den Ausdruck
brauche, dass die idealen Zahlen nach dem Vorgänge von Gauss gebildet
werden sind, so rechtfertigt sich derselbe durch den Hinweis auf die Auf
gaben, welche sich der Schöpfer der idealen Zahlen neben dem Beweise der
Unmöglichkeit der Auflösung der berühmten FERMATSchen Gleichung gestellt
hat, nämlich für die Potenzreste der aus den Einheitswurzeln gebildeten
ganzen Zahlen die den quadratischen und biquadratischen Reciprocitäts-
gesetzen entsprechenden Gesetze für die höheren Potenzreste zu finden. Es
war mir auch eine willkommene Gelegenheit diese Entdeckung Kummers zu
erwähnen, da sie von den ausgedehntesten Folgen für die Zahlentheorie und
die Algebra des XIX. Jahrhunderts gewesen ist.
Als Gauss im Jahre 1831 in den Göttingischen gelehrten Anzeigen für
das Bürgerrecht der sogenannten imaginären Grössen mit Entschiedenheit
öffentlich das Wort ergriff, hatte er schon seit langen Jahren zu beobachten
Gelegenheit gehabt, dass die Rechnung mit den sogenannten imaginären
Grössen, mehr als ein blosses Spiel mit Zeichen bedeutete. Es genüge hier
zweier solcher Erscheinungen Erwähnung zu thun.
s] In einem »Disquisitiones arithmeticae« betitelten Werke, welches im Jahre
1801 der damals vierundzwanzigjährige Gauss herausgab, einem Werke, welches
der Zahlentheorie und der Algebra neue Bahnen erschloss, befindet sich als
letzter Abschnitt eine Untersuchung über die Kreistheilung. Schon zu Euklids