ANWENDUNG DER WAHRSCHEINLICHKEITSRECHNUNG ETC.
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eine billige zu ihrem Vortheil gereichende Bestimmung betrachten, die ihnen die Alternative erspart, ent
weder schon während der Zeit, wo sie nichts von der Universität empfangen, zur Witwenkasse beitragen,
oder später, wenn sie Besoldung erhalten, noch für die ganze Zeit ihres unbesoldeten Professorstandes dop
pelt nachzahlen zu müssen.
Meine zweite Bemerkung betrifft den Zinsfuss, in Beziehung auf welchen ich dem, wasindemP.M.
des U. R. O. gesagt ist, nicht ganz beitreten kann. Mir erscheint vielmehr die Rechnung, nach welcher
der jetzige Zinsfuss zu 4 T V proc. ermittelt ist, zum Theil als illusorisch. Ich erkläre mich durch ein Beispiel.
Die Oesterreichischen 4£ proc. Papiere stehen nach dem heutigen Courszettel auf 10 3|. Beim Ankauf von
einem Banquier wird man, alles eingerechnet, gewiss über 104 wirklich zahlen müssen, ich will aber nur bei
104 stehen bleiben. Man erhält also für sein eingezahltes Geld in der Wirklichkeit nur , oder nicht
ganz 44,- proc. Zinsen. Es dauert also wenigstens 12 Jahre, bis man nur sagen kann, dass man wirklich 4 proc.
Zinsen genossen hat. Nun werden aber von diesen Papieren alle Jahre sehr g?-osse Summen ausgeloost und
zu pari zurückgezahlt. Geschieht die Ausloosung schon nach 2 Jahren, so hat man in der Wirklichkeit nur
zusammen 4f proc. oder für ein Jahr 2-’-proc. Zinsen genossen, ungerechnet die Kosten, mit welchen jede Ein
ziehung verbunden ist. Für den Besitzer eines solchen Papiers ist es auch immer ein gefährlicher Umstand, dass
er, wenn die ihn treffende Ausloosung nicht zu seiner Kenntniss gelangt, er also das Einziehen zu rechter Zeit
versäumt, einen sehr bedeutenden Verlust erleiden kann. Für die Witwenkasse wird wohl der Banquier,
von dem die Papiere erkauft sind, immer die nöthige Vigilanz ausüben, weil ihm selbst durch jede verfal
lende Versur ein Gewinn zuwächst, aber eigentliche Verantwortlichkeit für jeden durch mögliches Uebersehen
entstehenden Verlust wird er doch sclrwerlich auf sich nehmen. In dieser Rücksicht will ich also nicht un
terlassen, hiermit die Anzeige zu machen, dass in der heute vor acht Tagen in Wien geschehenen Verloo-
sung von anderthalb Millionen Gulden der in Rede stehenden Papiere auch eine der Obligationen der Wit
wenkasse getroffen ist, nemlich die pag. IX. der Rechnung unter Nr. 52 aufgeführte Litr. P Nr. 15472.
Dass ich im Stande bin, diese Anzeige zu machen, verdanke ich nur dem zufälligen Umstande, dass ich
heute, wo eben diese Rechnung in meinen Händen ist, die Notiz von der geschehenen Verloosung in ei
nem Zeitungsblatt fand, und mir daher die Designation der ausgeloosten Nummer notirte, um sie zu Hause
mit der Capitalliste der AVitwenkasse vergleichen zu können, und mit dieser Anzeige will ich denn diese
lange Exposition beschliessen.
9. Januar 1845. Gauss.
[ii.l
Untersuchung des gegenwärtigen Zustandes der Professorenwitwenkasse zu Güttingen.
Vorwort.
In dem von mir in der AVitwenkassen - Angelegenheit am 8. Januar d. J. abgegebenen Votum habe
ich die Alethode nach ihren wesentlichen Elementen angedeutet, welche ich für die allein geeignete halte,
um zu einem so gründlichen Urtheile, wie die Natur des Gegenstandes verstattet, zu gelangen. Ich habe
die dort bezeichneten allerdings sehr langwierigen Rechnungen jetzt beendigt, und ihre Resultate sind in
der zweiten Abtheilung dieser Denkschrift enthalten.
Da ich jedoch eine nähere Bekanntschaft mit den Grundsätzen derartiger Rechnungen bei den mei
sten Mitgliedern des Collegiums, welchem diese Schrift vorgelegt wird, nicht voraussetzen darf, so habe ich
geglaubt, dass es denselben lieb sein würde, den Gegenstand auch noch von andern Seiten und aus mehr
populären Gesichtspunkten erwogen zu sehen. Ist es auch nicht möglich, auf diese Art eigentlich präcise