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endet scheinen: gleichwohl bleibt noch Mehreres zu wünschen übrig. Allen je
nen Lehrsätzen liegt die Voraussetzung zum Grunde, dass die Dicke der Linsen
als unendlich klein betrachtet werde, eine Voraussetzung, an welche man so ge
wöhnt ist, dass sie meistens, als sich von selbst verstehend, gar nicht einmal er
wähnt wird, mit welcher aber bei der Anwendung auf wirkliche Fälle jene Lehr
sätze nur Annäherungen, zuweilen nur rohe Annäherungen bleiben. Diese fast
allgemeine Vernachlässigung der Dicke der Linsen erstreckt sich zum Theil selbst
auf die ersten Begriffsbestimmungen der Dioptrik, bei welchen der mathematische
Sinn von einer schwankenden Unbestimmtheit unangenehm berührt wird. Wenn
von der Brennweite einer Linse ohne nähere Bestimmung geredet wird, so weiss
man noch nicht, ob die Entfernung des Brennpunktes von der nächsten Ober
fläche der Linse, oder vom sogenannten optischen Mittelpunkte derselben, oder
von dem zwischen beiden Oberflächen in der Mitte liegenden Punkte, oder die
von allen diesen Bestimmungen wieder verschiedene Grösse gemeint ist, welche
bei der Vergleichung der scheinbaren Grösse eines unendlich entfernten Gegen
standes mit seinem Bilde zum Grunde gelegt werden muss.
Es ist nun zwar nicht zu leugnen, dass in sehr vielen Fällen die Vernach
lässigung der Dicke der Linsen zulässig, oder nützlich, oder sogar nothwendig
sein kann, wo entweder an grösserer Schärfe nichts gelegen ist, oder, wo eine
die Dicke der Linsen mit berücksichtigende Schärfe in unerträgliche Weitläufig
keiten führen würde, oder wo eine scharfe Rechnung durch vorgängige genäherte
Überschläge erst vorbereitet werden soll: allein eben so gewiss ist, dass die Würde
der Wissenschaft Präcision in ihren Begriffsbestimmungen erfordert, und dass
man sich der Aufopferung der Schärfe gern in allen Fällen enthoben sieht, wo es
ohne erheblichen oder ohne allen Nachtheil für die Einfachheit und Geschmeidig
keit der Resultate möglich ist.
Indem die vorliegende Abhandlung zum Hauptzwecke haben sollte, zu zei
gen , dass den oben angedeuteten Lehrsätzen eine Erweiterung gegeben werden
kann, in der sie unter strenger Berücksichtigung der Dicke der Linsen gar nichts
von ihrer Einfachheit verlieren, war es nothwendig, auf die ersten Grundlehren
der Dioptrik in einer neuen Darstellungsart zurück zu kommen. Dieser, und
dem ganzen Inhalte der Abhandlung Schritt vor Schritt zu folgen, kann hier nicht
der Ort sein, wäre auch um so überflüsssiger, da die Abhandlung selbst bereits
gedruckt ist. Wir beschränken uns daher hier auf den Versuch, anschaulich zu