490
BRIEFWECHSEL.
[Über Messungsfehler.]
Gauss an Gebers. Gnarrenburg, Julius 1825.
Ich sehe nicht ohne Missmuth auf meine 5-jährigen Messungen
zurück; ich sehe mich, gegen das Ende derselben, ungefähr in einer solchen
Lage und in solchen Gefühlen, wie sie wohl viele, vielleicht die meisten
Menschen in Beziehung auf das Erdenleben, wenn sie sich dessen Schluss
nähern, haben mögen, mit dem Gefühl, dass, wenn mit den eingesammelten
und erst spät zur Reife und Klarheit gekommenen Erfahrungen, mit frischer
Kraft und mit der erlernten Würdigung so mancher Dinge von vorn her
hätte angefangen werden können, viel mehr Zufriedenheit stattgefunden haben
könnte. Was die Messungen betrifft, so halte ich mich jetzt überzeugt:
1) dass der so wie der meinige gebaute Theodolith alle Winkel zu klein
gibt und zwar im Durchschnitt um eine freilich nur sehr kleine, aber bei der
sonstigen Trefflichkeit des Instruments, wenn man nur unter günstigen
Umständen beobachtet, doch sehr scharf anzugebende Grösse — von der
Grösse der Winkel fast unabhängig; es scheint fast, dass das erste Drehen
sie hauptsächlich hervorbringt, wo der Zapfen doch immer in gewissem Grade
gleichsam festgesogen war —, die freilich mit dem Abnutzen des Instruments
grösser werden mag. Meine Jeverschen Messungen, die recht ex professo an
gelegt waren, diese Grösse mit zu bestimmen, geben sie 0','4, und ich glaube
nicht, dass sie um 0"l unrichtig ist. Leider bieten meine frühem Messungen
keine so nachdrückliche Bestimmungsmittel dar, da ich, obgleich von Anfang
an schon das Dasein dieser Fehlerquelle vermuthend, doch glaubte, sie sei zu
klein, um nicht als = 0 betrachtet werden zu müssen. Hätte ich anstatt
einer Gradmessung eine Landesvermessung und damit häufiger Gelegenheit zu
einem Gyrus horizontis gehabt, so wäre ich ohne Zweifel früher von dieser
Ansicht zurück gekommen. Ich werde künftigen Winter die Grösse für jedes
Jahr, so gut es angeht, zu bestimmen suchen. Ich halte mich jetzt überzeugt,
dass erstens bei steter Berücksichtigung dieser Grösse, zweitens beim Enthalten
von allen Messen, wenn die Umstände nicht günstig sind, und drittens bei
Beachtung der beiden andern noch zu erwähnenden Umstände, die Messungen
auf Heliotroplicht eine fast unglaubliche Feinheit erhalten können, von der ich