98 A. GALLE, ÜBER DIE GEODÄTISCHEN ARBEITEN VON GAUSS.
3) Die wirklich astronomische Lage, die ich oben (bei *) definiert habe.
Nach allen neueren Erfahrungen hält diese garnicht Schritt mit 2) und es
gibt kein Mittel, sie zu finden als wirkliche astronomische Beobb. Meiner
Ansicht nach aber hat sie en récompense bloss für den Astronomen Interesse,
insofern an einem Orte auch wirklich astronomische Beobb. angestellt werden,
die bis auf eine Bogensekunde genau sind. In jeder andern Beziehung, wo
man die gegenseitige Lage von Punkten vergleichen will, kommt es nicht auf
3), sondern auf 1) oder 2) an.
Ich weiss nicht, ob ich mich nicht irre, aber mir däucht, dass man
bisher noch nicht recht gewusst hat, was eigentlich die besten geodätischen
Messungen im Grossen leisten können, ungefähr wie man vor Entdeckung der
neuen Planeten eine ganz falsche Vorstellung von dem hatte, was man von
guten astron. Beobb. zu fordern berechtigt ist. Ich gestehe, dass es mir ein
selbständiges hohes Interesse zu haben scheint, die gegenseitige Lage von
einigen 1000 Punkten über ganz Europa mit aller Schärfe zu bestimmen,
deren die Kunst und Wissenschaft des 19. Jahrhunderts fähig ist. Dadurch,
dass man bei grossen geodätischen Messungen immer sein Auge nur auf 3)
richtete, hat man einen ganz falschen Gesichtspunkt und Masstab erhalten.
Denn da die höchste Kunst der Astronomie kaum l" der Breite und das
3-fache (oder mehr) in der Länge erreichen kann, so meinte man, geodätische
Messungen schon genug gerechtfertigt und in Glanz gesetzt zu haben, wenn
man zuletzt nur Unterschiede von einigen Sekunden fand. Mehr ist auch
nicht möglich, wenn man von der astronomischen Lage 3) mehrerer Punkte
ausgehend zu einem Vereinigungspunkte kam. Aber ganz barbarisch und
unverantwortlich wäre ein solcher Unterschied hei rein geodätischen Verbin
dungen 1) oder bei 2), wenn man nur einen Punkt astronomisch zu Grunde
legt, insofern solche Messungen nicht schon einen halben Weltteil umfasst
haben. . . . Nur bei der hier ausgelegten Ansicht kann ich an meinen Ar
beiten ein wahres Interesse haben, und ohne sie würde ich beklagen, meine
Zeit 4 Jahre hindurch auf einen ganz unwürdigen Gegenstand gewandt zu
haben.«
Vom Bottel aus hatte Gauss einen entfernten Turm gesehen, den er für
Ganderkesee hielt. Die Hoffnung, ein Dreieck Bottel-Worpswede-Ganderkesee
zu erhalten, liess sich aber nicht verwirklichen, da sich gar kein Punkt im