ZENITDISTANZMESSUNGEN.
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Eine weitere Beunruhigung seiner Gemütsverfassung brachte noch die Ber
liner Berufungsangelegenheit, die zur Entscheidung drängte. Gleich nach seiner
Rückkehr hatte er ein Schreiben von Hoppenstädt erhalten, mit dem Aner
bieten einer bedeutenden Gehaltszulage, wenn er die Berufung nach Berlin
ablehnen würde. Um sich nicht die Hoffnung auf eine gründliche Verbesse
rung seiner Lage zu verderben, ging er auf das Anerbieten nicht ein. Aber
als sich die Angelegenheit weiter verzögerte und er vertraulich erfuhr, dass
man trotz seiner Absage den Vorschlag zu einer wahrhaft liberalen Verbesse
rung seiner Lage nach London an den König abgesandt habe und bald darauf
auch die Genehmigung des Königs eintraf, entschied sich Gauss, die fremden
Anträge nach einem solchen Beweise von Wohlwollen durch seine Regierung
nicht anzunehmen, und blieb dabei, obgleich ihm von verschiedenen Seiten
eine Zurücknahme seiner Absage an Berlin nahe gelegt wurde. Dass die Er
höhung seines Gehaltes auf 2500 Taler letzten Endes auf die erfolgreiche
Durchführung der Gradmessung sich gründete, und die Wichtigkeit dieses kurz
vor seiner Vollendung stehenden Unternehmens für den hannoverschen Staat
anerkannte, rechtfertigt seine Erwähnung im Zusammenhänge mit den geo
dätischen Arbeiten.
Andrerseits blieb auch der Einfluss innerer Erregung nie ganz bei der
wissenschaftlichen Tätigkeit unbemerkt. Sie spiegelt sich in der Unzufrieden
heit mit dem Erreichten und einer Unlust, die dann wieder dem Bestreben
wich, den Arbeiten die möglichste Vollkommenheit zu sichern.
Eine vorläufige Diskussion der Messungen des Jahres 1824 zeigte Gauss,
dass noch viel zu wünschen übrig blieb. — Von 15 Hauptdreiecken hatten
drei eine Winkelsumme, die über 2" fehlerhaft war, und er fasste den Ent
schluss, falls er überhaupt die Messungen fortsetzen sollte (G.-O. Nr. 540),
das am wenigsten stimmende Dreieck Zeven-Brillit-Bremen im folgenden Jahre
nochmals zu messen. Dann glich er alsbald die Zenitdistanzmessungen nach
der Methode der kleinsten Quadrate aus, um die Ergebnisse den Berichten
an das Hannoversche Ministerium und den Senat von Bremen einfügen zu
können. Allerdings mussten für die Ableitung absoluter Höhen einige Zahlen
verwertet werden, die aus fremden Messungen stammten. Der mittlere Fehler
der relativen Höhen von 4,8 Fuss wäre nach seiner Schätzung um 50 °/o grösser
ausgefallen, wenn er nicht die gegenseitigen Zenitdistanzen genau gleich-
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