170 CLEMENS SCHAEFER, ÜBER GAUSS’ PHYSIKALISCHE ARBEITEN.
Die Konstruktion der dialytischen Fernrohre verdankt ihren Ursprung der
schon im Vorhergehenden hervorgehobenen Schwierigkeit, grosse klare Stücke
von Flintglas herzustellen. Da dieses Blei enthält, das spezifisch schwerer
ist als die übrigen Bestandteile, so wurden damals die Glasschmelzen fast
stets inhomogen und schlierig. Wie Littrow 1 ) angibt, hatten sowohl die
französische wie auch die englische Regierung grosse Preise — 12 000 Francs
bezw. 100 Pfund — für die Lösung des Problems ausgesetzt, mit Sicherheit
grosse klare Stücke Flintglas zu erzeugen. Derselbe Autor gibt auch die
Preise an, die für Flintglasstücke gezahlt werden mussten, aus denen man eine
Linse von 12 Zoll Öffnung herstellen konnte: nicht weniger als 7200 Francs
betrug der Preis eines derartigen Stückes, wenn ein solches durch Zufall ein
mal in der Schmelze gelang.
Man erkennt, wie dieser Mangel an grossen guten Flintglasstücken dazu
führen musste, darüber nachzudenken, ob man nicht den Effekt der Achroma-
tisierung mit kleineren Stücken würde erzielen können. Littrow 1 2 ) (1827) und
Rogers 3 ) (1828) machten, wie es scheint unabhängig voneinander, fast denselben
Vorschlag: Statt die beiden Linsen des achromatischen Objektivs unmittelbar
aneinanderzusetzen, schlugen sie vor, die dispansive Flintglaslinse in grösserer
Entfernung von dem kollektiven Kronglas anzubringen, an einer Stelle, wo das
einfallende Strahlenbündel schon einen relativ kleinen Querschnitt angenommen
hat; so könnte die Grösse der Flintglaslinse entsprechend verkleinert werden.
Mit dem damaligen Flintglase, das in Brechung und Dispersion relativ wenig vom
Kronglas abwich, hätte man aber bei so erheblichen Distanzen der beiden
Linsen das Objektiv nicht achromatisieren können. Rogers schlägt daher anstelle
der einfachen Flintlinse eine aus Krön- und Flintglas zusammengesetzte Linse
von folgender Eigenschaft vor: Für die Strahlen mittlerer Brechbarkeit sollte
sie gerade wie ein Plan glas wirken, für die violetten demnach als Kon
kavglas, für die roten schliesslich als Konvex glas. Gerade diese Eigen
schaft wäre in der Tat erforderlich, um den chromatischen Fehler der ein
fachen Frontlinse aus Kronglas zu kompensieren, die ja die violetten Strahlen
früher vereinigt als die roten.
1) y. Littrow. Vermischte Schriften, Bd. I, S, 231 (Stuttgart 1846).
2) v. Littrow, Zeitschr. f. Physik und Mathem., Bd. III, S. 129 ff., 1827; Bd. IV, S. 257 ff., 1828.
3) Rogers, Pogg. Ann., Bd. 14, S. 325, 1828.