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PRAKTISCHE UND SPHÄRISCHE ASTRONOMIE. 1. PERIODE, BRAUNSCHWEIG. 35
In Lilienthal hatte nämlich Schröter seinen Gärtner Gefken durch
Schräder 1 ), den bekannten Hersteller von Spiegeln für Reflektoren, im Schleifen
dieser unterrichten lassen. Harding machte Gauss in einem Briefe vom 28. Ja
nuar 1804 auf einen Spiegel, den Gefken gerade hergestellt hatte und den zu
verkaufen er bereit war, aufmerksam. Der Herzog bewilligte den Ankauf des
Spiegels mit Rücksicht auf die in Braunschweig einzurichtende Sternwarte. Über
ihn äusserte sich Harding in einem Brief an Gauss vom 9. März 1804 folgender-
massen: »Sie erhalten den schönen 1 0-füssigen Spiegel für Ihre künftige Stern
warte! ich hatte ihn längst für mich selbst gekauft; da aber Ihr Herzog ihn für
ein so schönes Institut bestimmt hat, so trete ich ihn willig dazu ab. In keinem
andern Falle würde ich ihn hingeben, denn er ist wahrlich ein Meisterstück,
und verdient es, in Ihrem künftigen Tempel zu paradieren. Sie würden von
Herschel keinen bessern erhalten können. Er hat bei einer Brennweite von
nur 10 Fuss einen verhältlich sehr grossen Durchmesser von 11 Zoll und ge
hört mithin unter die Seltenheiten, da solche Verhältnisse nur selten gewählt
werden, indem die richtige Figur dabei zu erhalten eine schwere Aufgabe ist.
Sie werden gewiss tausendfältiges Vergnügen durch dieses Teleskop gemessen,
wozu ich im Voraus gratuliere.«
Der Spiegel traf Ende April 1804 in Braunschweig ein, wurde aber für
Gauss eine Quelle vieler Unannehmlichkeiten. Gauss hatte die Montierung
dem Mechaniker Rudloff in Wolfenbüttel, die Herstellung der Okulare und
des Suchers Schröder in Gotha in Auftrag gegeben. Beide verzögerten ihre
Arbeit ungewöhnlich lange und der von Rudloff geforderte übermässige Preis
versetzte ihn dem Herzog gegenüber in eine peinliche Lage.
Als der Spiegel endlich im Mai 1806 gebrauchsfähig schien, bemerkte
Gauss, dass er sehr schlechte Bilder 1 2 ) gab, als deren Ursache Harding im Sep
tember desselben Jahres bei einem Besuch in Braunschweig feststellte, dass
der Spiegel sich verzogen hatte. Harding nahm ihn deshalb nochmals nach
Lilienthal mit, wo dieser Fehler ohne Schwierigkeit behoben wurde. Aber
1) Johann Gottlieb Friedrich Schräder, geb. zu Salzdahlum bei Wolfenbüttel, 1762 oder es,
gest. in St. Petersburg nach 1819. Über seinen längeren Aufenthalt in Lilienthal, wo er mehrere Spiegel
herstellte, vgl. Joh. A. Repsold, Zur Geschichte der astronomischen Messwerkzeuge, Band I, S. 93.
2) Brief von Gauss an Harding vom 25. Mai 18o6 ; der Briefwechsel Gauss-Harding befindet sich
in der Urschrift im GAüssarchiv. •