102 MARTIN BRENDEL, ÜBER DIE ASTRONOMISCHEN ARBEITEN VON GAUSS.
soLDschen Kreis sind in dieser Hinsicht das feinste, was wir haben, und recht
geeignet, die Astronomen aufmerksam zu machen, dass nicht jeder, der einen
Kreis umdrehen kann, im Stande ist, eine einzelne Sekunde zu beobachten.
Schreiten wir auf diesem Wege fort, so werden wir bald genug erfahren, was
es mit den Rätseln in der praktischen Astronomie für eine Bewandtnis hat.
Aber wie viele Astronomen sind denn vorhanden, die einer ähnlichen Auf
merksamkeit fähig wären? — Ich habe schon oft gedacht, dass nicht alles
Gold ist, was glänzt.«
Endlich möge noch folgende Stelle aus einem Briefe von Gauss an Olbers
vom Mai 1819 hier Platz finden: »Ich habe dieser Tage einige neue Beob
achtungen am REPsoLDSchen Meridiankreis diskutiert, um den wahrscheinlichen
Fehler der beobachteten Antritte an die einzelnen Fäden zu bestimmen. Litt-
rows Verfahren (Zeitschrift V, S. 12) ist unrichtig; nach Verbesserung seiner
Fehler findet sich aus den dortigen Datis der wahrscheinliche Fehler eines
von Bessel beobachteten Antritts nicht = 0®10, sondern = 0®130. Aus meinen
Beobachtungen, die ich diskutiert habe, folgt:
0*087 aus Arcturus-Beobachtungen, Gewicht 35
0,114 aus aPersei- » » 55
0,137 aus a Cassiopeiae- » »29
0,115 aus x Draconis- » » 44.
Mein wahrscheinlicher Fehler scheint also etwas geringer als bei Bessel. Ich
weiss nicht recht, wie dies zugeht. Bessel hat längere Übung als ich; seine
Uhr schlägt vermutlich noch etwas schärfer ab als die meinige. Meine stärkere
Vergrösserung kann auch die Ursache hiervon nicht sein. Die Vergleichung
meiner Sterne unter sich zeigt, dass die Deklination nur schwach dabei mit
wirkt, und der wahrscheinliche Fehler hat nicht die Form a sec 8 (wie
Bohnenberger zu glauben scheint), sondern die Form Va 2 sec 2 8 -(- ß 2 , wo a
vom Fehler des Sehens, ß vom Fehler des Ohrs abhängt und wo, wie die
Vergleichung meiner Sterne zeigt, a viel kleiner sein muss als ß. Um a zu
bestimmen, muss man denselben Versuch bei Sternen machen, die dem Pol
sehr nahe stehen, welches ich aber noch nicht besonders genau untersucht
habe; doch dürfte mein a vielleicht nur halb so gross sein als bei Bessel,
was durch die stärkere Vergrösserung und feinem Fäden sehr erklärlich ist.