PRAKTISCHE UND SPHÄRISCHE ASTRONOMIE. 6. PERIODE, REICHENBACH-INSTRUMENTE. 113
nachträglich auf der Göttinger Sternwarte aufgefundenen Tagebücher sind nicht
dem GAUssarchiv einverleibt und daher bei der Bearbeitung des Bandes XL 1
übersehen worden.
In den Jahren 1819 —1822 wurden auch auf Gauss’ Vorschlag von ihm
selbst, von Nicolai in Mannheim, Soldner in München und Encke in See-
herg die Rektaszensionen des Mondes und einiger Mondsterne zur Bestimmung
der Längenunterschiede 1 ) beobachtet, und auch Bessel und Struve nahmen später
daran teil. Die Beobachtungen wurden durch längere Jahre fortgesetzt, jedoch
beteiligte sich Gauss nur bis zum Juli 1820 1 2 ) daran.
Bessel schreibt aus diesem Anlass an Gauss am 10. Januar 1820; »Ihr
Vorschlag zu gemeinschaftlichen Mondbeobachtungen ist vortrefflich in jeder
Beziehung: erstens wird er uns die Bestimmung der Meridiandifferenzen liefern;
zweitens wird er am deutlichsten zeigen, wie genau man die Örter beobachten
kann; drittens wird er eine Verbindung zwischen die Astronomen und Stern
warten bringen, die manches, was jetzt nicht taugt und was mir, der ich gern
ein recht tätiges und kräftiges Zusammenwirken erleben möchte, höchst zu
wider ist, aufheben kann. Bringen Sie mehr dergleichen auf die Bahn, so
wird bald eine innige Verbindung eintreten, statt des jetzigen törichten Egois
mus; die Zeit wird wiederkehren, wo der Eine Freude hat an der Arbeit des
Andern. — Schade, dass ich nicht an diesen Beobachtungen habe teilnehmen
können; allein treffen Sie doch nochmals eine solche Verabredung und zwar
für die Sommermonate, wo das Wetter sicherer ist«, worauf Gauss am 5. März
erwidert: »Von den Sternen zur Vergleichung mit dem Monde habe ich auch
an Struve das Verzeichnis geschickt. Da diese Beobachtungen vorerst un
unterbrochen fortgesetzt werden, so kann die Verknüpfung der Teilnehmer
vielleicht auch sonst weiter führen. Sie klagen in Ihrem letzten Briefe den
törichten Egoismus der jetzigen Astronomen an; ich verstehe dies, sowie
einiges andere in demselben, nicht ganz. Allein ich glaube, dass wenigstens
die meisten deutschen Astronomen einen solchen Vorwurf nicht verdienen;
wenigstens scheinen mir die, mit denen ich in Verbindung stehe, alle nichts
mehr zu wünschen, als mit vereinten Bemühungen für das Beste der Wissen-
1) Vergl. den Aufsatz von Nicolai, Astron. Nachr. i, S. 7 und 2, S. 17 (auch Gauss’ Werke VI,
S. 443).
2) Vergl. den Brief von Gauss an Bessel vom 17. August 1820.
XI2 Abh. 3.
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