THEORETISCHE ASTRONOMIE. STÖRUNGSRECHNUNGEN. EINLEITENDES. 195
nungen erfordert hätte. Während Gauss bei der Ceres Koordinatenstörungen
anwendet, ist er nach längerem Schwanken, wofür er sich entscheiden solle,
zuletzt bei der Pallas ganz zu Elementenstörungen übergegangen.
Er fand bei diesen Arbeiten Gelegenheit, seine mathematischen Unter
suchungen anzuwenden, und zwar einerseits die über das arithmetisch-geome
trische Mittel und die hypergeometrische Reihe, andererseits seine Interpolations
theorie. Er wird hiernach auf zwei grundsätzlich verschiedene Methoden ge
führt. Die erste beruht auf der analytischen Entwicklung der Störungsfunktion,
wie sie auch schon von Laplace angewandt worden war: sie gibt die allge
meinen analytischen Ausdrücke für die Störungen als Funktionen der Elemente,
sodass die Formeln für alle Planeten anwendbar sind, wenn die entsprechenden
Zahlenwerte eingesetzt werden; Gauss benutzte dieses Verfahren bei der ersten
Berechnung der Ceres-Störungen, bei der er sich auf die ersten Potenzen der
Exzentrizität beschränkt und Koordinatenstörungen rechnet. Bei der Weiter
führung der Rechnungen erwies sich diese Methode als nicht durchführbar.
Die zweite Methode beruht auf der interpolatorischen Entwicklung der Stö
rungsfunktion nach der Theoria Interpolationis'); sie ist die einzige, die in schwie
rigeren Fällen, wie sie z. B. Pallas bietet, durchführbar ist. Man erhält
dabei nicht die allgemeinen analytischen Ausdrücke, die für jeden Planeten
gelten, sondern die Entwicklung wird mit Zahlenwerten, entsprechend den Ele
menten eines bestimmten Planeten, ausgeführt und gilt nur für diesen. Gauss
hat diese Methode bei der Pallas benutzt. Für die zweite Berechnung der Ceres-
Störungen 1 2 ) bedient sich Gauss eines gemischten Verfahrens, indem er die Ent
wicklungen teils analytisch, teils interpolatorisch ausführt. Er hatte damals wohl
die Vorzüge des interpolatorischen Verfahrens erkannt, zögerte aber viel
leicht, das analytische Verfahren ganz zu verlassen, weil er einen gewissen Wert
auf die Anwendung seiner Untersuchungen über das arithmetisch-geometrische
Mittel legte, die beim rein interpolatorischen Verfahren ganz fortfällt.
2. Geschichtliches über Gauss’ Störungsrechnungen.
Gauss spricht sich Olbers gegenüber in einem Briefe vom 25. Juni 1802
dahin aus, dass er zwar die Störungen der beiden entdeckten Planeten be
1) Werke III, S. 265.
2) Werke VII, 1906, S. 401 f,
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