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VARIA.
Der Erfahrene unterscheidet hier Wahrscheinlichkeiten, wo der Unerfahrene
keinen Unterschied macht. Dort hält aber bloss der ungebildete Mann, der
nichts von Gesetzen weiss, die künftige Wiederkehr der Sonne bloss der bis
herigen Erfahrung wegen für wahrscheinlich.
Gauss hätte selbst wohl einige Zeilen beigelegt, wenn er etwas zu sagen
gehabt, dessen Ausdruck, um nichts an Präcision zu verlieren, schwieriger
gewesen wäre. Er lässt Sie vielmals grüssen. Eine Anzeige hat ihn mit Ihrer
Geschichte der Philosophie [* [**) )] bekannt gemacht, wodurch er sehr begierig ge
worden, sie näher kennen zu lernen, vorzüglich was die Verirrungen des
menschlichen Geistes betreffe, welche neuerlich vorgekommen.
Mit der Bitte, mich Ihrer Frau Gemahlin gütigst zu empfehlen, ver
harre ich Ihr
ganz ergebener
Wilhelm Weber, j
[2.]
Gauss an Fries. Göttingen, 11. Mai 1841.
Yerehrtester Herr Hofrath
Für die gewogentliche Übersendung Ihrer Geschichte der Philosophie und
das gütige Schreiben, womit Sie dieselbe begleitet haben, bin ich Ihnen noch
meinen herzlichsten Dank schuldig. Ich habe von jeher grosse Vorliebe für
philosophische Speculation gehabt, und freue mich nun um so mehr, in Ihnen
einen zuverlässigen Führer bei dem Studium der Schicksale der Wissenschaft
von den ältesten bis auf die neuesten Zeiten zu haben, da ich bei eigner
Lecture der Schriften mancher Philosophen nicht immer die gewünschte Be
friedigung gefunden habe. Namentlich haben die Schriften mehrerer viel
genannter (vielleicht besser, sogenannter) Philosophen, die seit Kant aufge
treten sind, mich mitunter an das Sieb des Bockmelkers [ # *)] erinnert, oder,
um anstatt des antiken ein modernes Bild zu gebrauchen, an Münchhausens
[*) J. Fr. Fries, Geschichte der Philosophie, 2 Bände, Heidelberg 1837—40.]
[**) Yergl. die Briefstelle Gauss an Schumacher vom 21. April 1836, Werke Xi, S. 467, wo Gauss
davon spricht »was die Römer hircum mulcere nannten«, und die zugehörige Bemerkung, daselbst S. 468. —
Zu der ganzen Briefstelle 2. vergl. Gauss an Schumacher vom i. Dezember 1844, S. 62, 63 dieses Bandes,]