ÜBER PHILOSOPHEN. SCHWERPUNKT.
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Schelling, Hegel. Nees yon Esenbeck und Consorten, stehen Ihnen nicht die
Haare bei ihren Definitionen zu Berge? Lesen Sie in der Geschichte der
alten Philosophie, was die damaligen Tagesmänner Plato und andere (Aristo
teles will ich ausnehmen) für Erklärungen gegeben haben. Aber selbst mit
Kant steht es oft nicht viel besser; seine Distinction zwischen analytischen
und synthetischen Sätzen ist meines Erachtens eine solche, die entweder nur
auf eine Trivialität hinausläuft oder falsch ist. Was übrigens Wolf hat sagen
wollen, scheint mir zu sein: »In jedem Körper gibt es, wie sich nachweisen
lässt, einen und nur Einen Punkt, der die Eigenschaft hat, dass jede durch ihn
gelegte Ebene den Körper in zwei Stücke (oder sit venia verbo Hälften) schei
det, die« — nicht wie Wolf sagt gleich schwer sind, sondern — »in Beziehung
auf diese Ebene gleiche Momente haben: diesen Punkt nennt man den Schwer
punkt«. — Einen Punkt, der auf ähnliche Art verstanden, einen Körper in
zwei gleich grosse Hälften zertheilte, gibt es im Allgemeinen nicht, sondern
nur in speciellen Fällen, man müsste denn anstatt gleich grosser Hälften,
gleichmomentige Räume verstehen, wo dann [der] Mittelpunkt der Grösse, der
Schwerpunkt eines den Raum homogen erfüllenden Körpers wäre
BEMERKUNG.
Äusserungen von Gauss über Philosophen finden sich nur spärlich. Abgesehen von einer Stelle in
dem Briefe an Drobisch vom 14. Aug. 1834 (Werke X 1, S. 106) beziehen sich die meisten auf Kants
Lehre vom Raum (so Anzeige, 1816, Werke Vili, S. 172; Anzeige, 1831, Werke II, S. 177 Fussnote; Brief
an W. Bolyai vom 6. März 1832, Werke Vili, S. 224; Brief an Schumacher vom 8. Febr. 1846, Werke
Vili, S. 24 7), während die vorstehend wiedergegebene Briefstelle zu Kants Lehre von den analytischen
und synthetischen Urteilen Stellung nimmt. Nach einer mündlich überlieferten Äusserung des Jenenser
Botanikers Schleiden (siehe A. Galle, Das Weltall, 24, 1925, S. 230) soll Gauss sich eingehend mit
Schriften von Kant beschäftigt haben.
Schlesinger.