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Thermochemie.
von molekularer Disgregation zeigen, welche die physi
kalischen Unterschiede zum grossen Theil verschwinden
lässt. Hieran knüpft sich eine Reihe weiterer einzelner Be
trachtungen und Spekulationen, unter welchen besonders
eine hervorgehoben zu werden verdient, die in der Folge
für die Bestimmung der Bildungswärme organischer Ver
bindungen von grösster Bedeutung geworden ist; sie basirt
auf dem leicht zu beweisenden Satze: »Die Differenz
der Verbrennungswärmen zweier chemisch äquivalenter
Systeme ist gleich der Wärmeentwicklung, die dem Ueber-
gang des einen Systems in das andere entspricht.«
Mit einer zweiten, sehr umfangreichen Abhandlung
betritt Berthelot (28) das Gebiet der Verwandtschafts
lehre, und zwar genau von der nämlichen Seite wie vor
her Thomsen. Er unterscheidet zunächst die »endother-
mischen« und die »exothermischen« Vorgänge. Die letz
teren findet er ohne Weiteres begreiflich, von den ersten
sagt er: »Man darf nicht glauben, dass die Wärme durch
den einfachen Vorgang der Annäherung der Moleküle ab-
sorbirt wird; die Absorption entspricht vielmehr einer
Arbeit, die aufgewendet werden muss, um die genannten
Moleküle nach einer besonderen Anordnung zu disponiren.«
Hier ist der Standpunkt vollständig ausgedrückt, von
welchem aus Berthelot alle endothermischen Vorgänge
auf exothermische zurückzuführen suchte. Allerdings stiess
er schon damals in gewissen Fällen auf Schwierigkeiten,
die ihm aber nicht unüberwindlich erschienen. Um un-
nöthige Wiederholungen zu vermeiden, fassen wir Berthe-
lot’s Theorie in die von ihm später (29) formulirten drei
Principien zusammen:
I. »Princip der molekularen Arbeiten: Die Menge
der bei irgend einem Vorgang entwickelten Wärme ist
das Maass der gesammten dabei geleisteten chemischen
und physikalischen Arbeiten.« Dieser Satz dürfte mit
mehr Recht eine Definition, als ein Princip genannt
werden.