Full text: Vorlesungen über die Theorie der Wärme (4. Band)

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Dreizehnte Vorlesung. 
möglichkeit kommt. Man bezieht hier diesen Begriff stets auf eine 
grosse Zahl von vergleichbaren Fällen, in denen ein gewisses Er 
eigniss theils eingetreten, theils nicht eingetreten ist, und versteht 
unter der Wahrscheinlichkeit dieses Ereignisses die Zahl der Fälle, 
in denen es eingetreten ist, dividirt durch die Gesammtzahl der Fälle; 
je grösser dieser Bruch ist, um so sicherer kann man darauf rechnen, 
dass auch in der Zukunft unter gleich bleibenden Verhältnissen das 
betreffende Ereigniss eintreten wird. Dass dieser Bruch einer be 
stimmten Grenze sich nähert, je grösser man die Zahl der Fälle, die 
in Betracht gezogen werden, wählt, ist eine Voraussetzung, die er 
füllt sein muss, wenn der Begriff der Wahrscheinlichkeit anwendbar 
sein soll, d. h. wenn die Erscheinüngen, um die es sich handelt, so 
zu sagen, statistisch begreiflich oder darstellbar sein sollen. 
Denken wir uns, um ein sehr gebräuchliches Beispiel anzuführen, 
einen Spielwürfel, mit dem eine sehr grosse Zahl von Malen geworfen 
wird. Ist der Würfel richtig, so wird jede von den sechs Zahlen 
nahe gleich oft oben zu liegen kommen; bei 600 Würfen wird jede 
Zahl nahe 100 mal, bei 6000 Würfen nahe 1000 mal geworfen werden. 
Wäre das nicht der Fall, käme z. ß. die Eins erheblich häufiger oben 
zu liegen, als die anderen Zahlen, so würden wir sagen: der Würfel 
ist nicht richtig; wir würden etwa vermuthen, dass der Schwerpunkt 
von der mit Eins bezeichneten Seite weiter entfernt wäre, als von 
den übrigen, und dass die Eins deswegen vorzugsweise erschiene, 
weil der Schwerpunkt den tiefsten Ort einzunehmen bestrebt ist. Die 
Wahrscheinlichkeit, mit einem richtigen Würfel eine gewisse Zahl 
zu werfen, ist also gleich 
§ 3. 
Es sind hauptsächlich zwei Sätze, die bei der Wahrscheinlich 
keitsrechnung fortwährend gebraucht werden. Der erste, der un 
mittelbar und ausschliesslich auf der Definition der Wahrscheinlich 
keit beruht, lautet: Sind A und B zwei sich ausschliessende Ereignisse 
und a und ß respective ihre Wahrscheinlichkeiten, so ist a -j- ß die 
Wahrscheinlichkeit, dass A oder B eintritt. Die Wahrscheinlichkeit, 
mit einem Spielwürfel eine Eins oder eine Zwei zu werfen, ist 
also 4- • 
O 
Der zweite Satz bezieht sich auf das gleichzeitige Eintreten zweier 
unabhängiger Ereignisse und enthält die Definition für die Unabhängig 
keit zweier Ereignisse. Er lautet: Sind A und B zwei von einander 
unabhängige Ereignisse, a und ß ihre Wahrscheinlichkeiten, so ist 
aß die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie zusammen eintreffen. Es 
sei nämlich n die Gesammtzahl der zu betrachtenden Fälle; in an
	        
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