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Erste Vorlesung.
Vorlesungen uns beschäftigen sollen, auf Bewegungen beruhen, dass
die ganze Physik also auf Mechanik zurückzuführen sei. Wäre das
gelungen, so wäre in Bezug auf die Einfachheit der Darstellung das
denkbar Höchste geleistet; die genannte Zurückführung ist daher ein
Ziel, das im vollsten Masse werth ist, erstrebt zu werden. Die Frage,
ob es kein eingebildetes ist, ob wirklich alle physikalischen Erschei
nungen auf Bewegungen beruhen, ist gleichbedeutend mit der Frage,
ob die kleinsten Theilchen der Materie keine andere Veränderungen
erleiden, als Ortsveränderungen. Nach dem unmittelbaren Zeugniss
unserer Sinne müssen wir freilich diese Frage entschieden verneinen;
die Aenderungen des Aggregatzustandes, der chemischen Beschaffen
heit, der Temperatur, des elektrischen Zustandes und anderer Eigen
schaften scheinen uns nicht Bewegungen zu sein. Aber das unmittel
bare Zeugniss unserer Sinne ist nicht entscheidend. Es nehmen diese,
auch wenn sie bewaffnet sind mit allen Hilfsmitteln, die die Kunst
geschaffen hat, nicht Räume wahr, deren Dimensionen unterhalb ge
wisser Grenzen liegen, und erkennen nicht, was in einem solchen
Raume vorgeht; sie fassen nur gewisse Mittel von den Ereignissen
auf, die in sehr vielen so kleinen Räumen stattfinden, und erhalten
denselben Eindruck, wie wenn die Materie stetig den Raum erfüllt
und die Bewegung stetig im Raum sich ändert; nur an Flächen,
nämlich au den Grenzflächen sich berührender Körper, können sie
plötzliche Aenderungen der Beschaffenheit und der Bewegung der
Materie erkennen. Wenn in Räumen, die durch ihre Kleinheit sich
der Wahrnehmung entziehen, Verschiedenheiten in Bezug auf diese
bestehen, wenn etwa die kleinsten Theile der Materie durch Zwischen
räume getrennt sind, so können wir das nicht sehen, und Aende
rungen, die in diesen Entfernungen eintreten, als solche nicht er
kennen. Es ist möglich, dass die Aenderungen der Temperatur, des
Aggregatzustandes u. s. f. in solchen relativen Bewegungen bestehen.
Das ist in der That die Ansicht, die man zu Grunde legt, wenn man
behauptet, dass die sämmtlichen physikalischen Erscheinungen auf
Bewegung beruhen.
§ 2.
Sie könnten erwarten, dass ich damit beginne, die genannte
Hypothese in Bezug auf die Wärmeerscheinungen zu präcisiren, dann
Folgerungen aus ihr ziehe und diese Folgerungen mit den beobach
teten Thatsachen zusammenstelle. Es kann gegenwärtig ein solcher
Weg aber noch nicht eingeschlagen werden, da die Vorstellung, die
man sich bis jetzt von der Wärmebewegung hat bilden können, noch
zu unklar ist und noch nicht in genügender Weise der Rechnung
unterworfen werden kann. Noch am meisten ausgebildet ist diese
Vorstellung für die Gase. Man nimmt an, dass hier die Moleküle