Full text: Paradoxien des Unendlichen

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Einfache Substanzen. 
3. Ein ähnlicher Trugschluß von dem Nichtwahrnehraen 
auf das Nichtvorhandensein ist es, wenn man nicht zugeben 
will, daß alle endliche Substanzen einer nie aufhörenden 
Veränderung unterliegen. An unserer eigenen Seele 
kennen wir die Veränderlichkeit ihrer Zustände, Vorstel 
lungen, Beschaffenheiten und Kräfte doch zur Genüge; auf 
ein Ähnliches auch bei den Seelen der Tiere und bei den 
Pflanzen zu schließen, werden wir schon durch die bloße 
Analogie veranlaßt. Daß aber alle, auch diejenigen Sub 
stanzen, welche durch einen Zeitraum von Jahrhunderten 
keine uns merkbare Veränderung beweisen, doch in der 
Tat sich ändern, werden wir erst durch Gründe der Ver 
nunft berechtigt anzunehmen. Wer dies bestreiten, wenig 
stens in bezug auf die sogenannte leblose Materie und 
hinsichtlich ihrer einfachen Teile oder Atome in Abrede 
stellen will, sieht sich genötigt zu der Behauptung, daß 
alle Veränderungen, die uns in diesem Teile der Schöpfung 
erscheinen, wenn z. B. ein Stück Eis, das vor einer Weile 
noch fest war, jetzt schon geschmolzen ist und in der 
nächsten Stunde sich in Dampfform verflüchtigt — daß 
(sage ich) alle diese Veränderungen nichts als bloße Ände 
rungen in den örtlichen Verhältnissen der kleineren oder 
größeren Teilchen dieser Körper sind, dabei sich in dem 
Inneren jener Teilchen selbst nichts ändert. Aber wie 
mochte man nicht bemerken, daß man bei dieser Erklärung 
in einen Widerspruch verfalle? Denn könnte sich in den 
einfachen Substanzen selbst (in ihrem Inneren) nichts ändern: 
wodurch nur könnten Veränderungen in ihren örtlichen Ver 
hältnissen untereinander bewirkt werden, und welche Folgen 
sollten diese bloß äußeren Veränderungen haben, zu welchen 
Zwecken sollten sie dienen, und woran sollten sie auch nur 
erkannt werden können? Auf alle diese Fragen läßt sich 
nur vernünftig antworten, wenn wir den einfachen Sub 
stanzen — nämlich denjenigen, welche nicht allvollkommen 
sind, also der Kräfte mehrere, als sie schon haben, an 
nehmen können — eben deshalb die Fähigkeit einer Ver 
änderung durch gegenseitiges Einwirken aufeinander zu
	        
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