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Diff erentialrechnun g.
Stetigkeit keineswegs von allen veränderlichen Größen be
obachtet werde, ingleichen daß eine Größe, welche so klein
wird, als man nur will, indem man x dem Werte a so nahe
bringt, als man will, darum noch eben nicht für x—a zu
Null werden müsse; und daß sie ebensowenig, wenn sie
in das Unendliche wächst, während sich x dem Werte a
nähert, für x = a in Wahrheit unendlich werde. Es gibt
ja namentlich in der Geometrie unzählig viele Größen, die
kein Gesetz der Stetigkeit kennen, z. B. die Größen der
Linien und Winkel, die zur Bestimmung der Umfangslinien
und Oberflächen der Polygone und Polyeder dienen u. m. a.
§ 37-
Obgleich wir der bisherigen Darstellungsweise der Lehre
von dem Unendlichen so viele wichtige Mängel, wie ich
glaube, nicht mit Unrecht vorwerfen mögen: so ist es doch
bekannt, daß man meistens ganz richtige Ergebnisse
erhält, wenn man die Regeln, die in der Rechnung mit
dem Unendlichen allgemein eingeführt sind, mit der ge
hörigen Vorsicht befolgt. Solche Ergebnisse hätten sich
nimmer darbieten können, wenn es nicht eine Weise der
Auffassung und Handhabung dieser Rechnungsmethode
gäbe, die wirklich untadelhaft ist; und gern will ich glauben,
daß es im Grunde nur diese gewesen sein dürfte, die den
scharfsinnigen Erfindern jener Methode im Geiste vor
geschwebt, ob sie auch nicht sogleich imstande waren,
ihre Gedanken hierüber mit aller Deutlichkeit auseinander
zusetzen; eine Sache, die in schwereren Fällen insgemein
erst nach* wiederholten Versuchen gelingt.
Sei es mir denn verstattet, hier nur in wenigen Umrissen
anzudeuten, wie ich diese Methode des Rechnens glaube
auffassen zu müssen, damit sie vollkommen zu rechtfertigen
wäre. Es wird genügen, von dem Verfahren zu sprechen,
das bei dem sogenannten Differential- und Integral
kalkül zu beobachten ist, denn die Methode des Rechnens
mit dem unendlich Großen ergibt sich dann schon durch