Full text: Paradoxien des Unendlichen

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Paradoxien im Begriffe des Kontinuums. 
kannte ferner, daß sich das Dasein des Ausgedehnten nicht 
ohne einen Zirkel aus der Zusammensetzung solcher Teile, 
die schon selbst ausgedehnt sind, erklären lasse; wollte 
jedoch nichtsdestoweniger auch einen Widerspruch in der 
Voraussetzung finden, daß es aus Teilen, die keine Aus 
dehnung haben, sondern schlechterdings einfach sind (Punkten 
in Zeit, Raum, Atomen, d. i. einfachen Substanzen im Weltall 
auf dem Gebiete der Wirklichkeit), entstehe. 
Wurde gefragt, was man an dieser letzteren Erklärung 
anstößig finde, so hieß es bald, daß eine Eigenschaft, die 
allen Teilen mangelt, auch nicht dem Ganzen zukommen 
könne; bald, daß doch je zwei Punkte wie in der Zeit so 
auch im Raume, und ebenso auch je zwei Substanzen noch 
immer eine Entfernung voneinander haben, somit nie ein 
Kontinuum bilden. 
Es bedarf aber wahrlich nicht vieler Überlegung, um 
das Ungereimte in diesen Einwürfen zu erkennen. Eine 
Beschaffenheit, die allen Teilen mangelt, soll auch dem 
Ganzen nicht zukommen dürfen? Gerade umgekehrt! Jedes 
Ganze hat und muß gar manche Eigenschaften haben, welche 
den Teilen mangelt. Ein Automat hat die Beschaffenheit, 
gewisse Bewegungen eines lebenden Menschen fast täuschend 
nachzuahmen, die einzelnen Teile aber, die Federn, Räder- 
chen usw. entbehren dieser Eigenschaft. — Daß je zwei 
Zeitpunkte noch durch eine unendliche Menge dazwischen 
liegender Zeitpunkte getrennt sind; daß es ebenso zwischen 
je zwei Punkten im Raume eine unendliche Menge da 
zwischenliegender gibt, ja daß es selbst im Reiche der Wirk 
lichkeit zwischen je zwei Substanzen noch eine unendliche 
Menge anderer gäbe — ist allerdings zuzugestehen; aber 
was folgt hieraus, das einen Widerspruch enthielte? Nur 
soviel folgt, daß durch zwei Punkte allein, ja auch durch 
drei, vier und jede bloß endliche Menge derselben noch 
kein Ausgedehntes erzeugt wird. Dies alles gestehen wir 
selbst, ja wir gestehen, daß auch eine unendliche Menge 
von Punkten nicht immer zur Erzeugung eines Kontinuums, 
z. B. einer auch noch so kurzen Linie, hinreicht, wenn diese
	        
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