93
Zur Kritik des Yaihingerschen Fiktionsbegriffs
zu den Annahmen beziehen. Wenn Vaihinger von „bewußt
falschen Annahmen“ und von „Als-Ob-Annahmen“ spricht, so
wirft Spengler die Frage auf, ob sich die „Fiktionen“ den „An
nahmen“ unterordnen lassen.
Vaihinger sagt nirgends, welchen Sinn er dem Begriff An
nahme beilegt; und wenn man die betreffenden Stellen, wo von
Annahmen gesprochen wird, heranzieht, so wird man meist
nicht an das denken, was Meinong unter Annahme versteht.
Wenn andererseits Yaihinger Schemata, die Kraft, usw.
Fiktionen nennt, so scheint, daß Fiktionen nicht bloß An
nahmen, sondern auch „Begriffe“, „Methoden“, also logische
Operationen bedeuten, die jene Mittelstellung zwischen Vor
stellen und Urteilen nicht einnehmen. Aber G. Spengler glaubt,
daß es sich da um bloße Abbreviaturen handle, bei denen statt
der Objektive die Objekte gesetzt seien; dann wären die Fik
tionen also doch den Annahmen untergeordnet.
G. Spengler beanstandet, daß Vaihinger dem fiktiven Urteil
öfter den Namen Fiktion beigelegt habe, während doch nur
ein integrierender Teil desselben eine Fiktion sei. Er erläutert
das an einem Beispiel 218 ) und meint, es werde ein unmöglicher
Fall fingiert und daraus die Konsequenz gezogen, dann mit
den Folgen dieses unmöglichen oder unwirklichen Falles ein
anderer (wirklicher) Fall gleichgesetzt. Danach sei also nicht
die ganze Denkoperation als „Fiktion“ zu bezeichnen, diese
liege vielmehr nur in der durch die hypothetische Periode zum
Ausdruck gebrachten Annahme 219 ). Spengler bestreitet auch,
daß man beim fiktiven Urteil von einem neuen Urteilsmodus
reden dürfe, weil überhaupt kein einfaches Urteil vorliege,
sondern eine komplexe Denkoperation; weil ferner die For
mulierung des fiktiven Urteils nicht eine solche sei, die unum
gänglich sei; und weil die Untersuchungen Meinongs 220 ) zeigen,
daß für einen neuen „Modus des Urteils“ kein Baum bleibe.
Bei der Betrachtung „der hypothetischen Periode der Nicht
wirklichkeit“ 221 ) kommt Spengler zu der Ansicht, daß hier
eine aus Annahmen zusammengesetzte Denkoperation vor
liege, deren Eigentümlichkeit Meinong nicht hervorgehoben