Formen des Fiktionsbegriffs
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Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden; man
kann sich fragen, warum sich die Abweichungen von der
Wirklichkeit nicht rächen, warum sie sogar zweckmäßig sein,
wie selbst logische Widersprüche einmal in Kauf genommen
werden können; aber den Fehler als solchen als das För
dernde und Wertvolle betrachten, heißt doch die Sache auf die
Spitze stellen. Wir stellen uns allerdings mit dieser Ablehnung
in Gegensatz zum Fiktionalismus, denn die hier bekämpfte
Lehre ist ein wesentliches methodologisches Prinzip desselben.
Bei den Semifiktionen, die vor allem für die mathe
matische Naturbeschreibung in Frage kommen, handelt es
sich immer um gewisse Abweichungen von einer vorliegenden
Wirklichkeit. Sollen diese nicht zu unbrauchbaren Ergebnissen
führen, so müssen sie möglichst klein gemacht werden, und es
muß immer kontrolliert werden, wie weit die Abweichung das
Resultat zu beeinflussen vermag. Ferner muß, sobald dies
wegen des Resultats wünschenswert und irgendwie durchführ
bar erscheint, die erste Annahme durch eine neue ersetzt wer
den, die der Wirklichkeit näher kommt. Das sind für jeden
Physiker und Techniker ebenso bekannte wie selbstverständ
liche Dinge, und jeder wird zustimmen, wenn wir sagen, daß
ein brauchbares Resultat nicht durch den Fehler oder die Ab
weichung von der Wirklichkeit erreicht wird, sondern dadurch,
daß man bei dem ganzen Prozeß scharf darauf achtet, daß der
Fehler einen möglichst geringen Einfluß aufs Resultat ausübt.
Also nicht als geistreiches Hilfsmittel, sondern als notwendiges
Übel tritt der Fehler in die Erscheinung; sobald die Mittel
bereit sind, ihn zu vermeiden, wird er in der Regel vermieden.
Es gibt allerdings Fälle, wo man ihn doch beibehält, weil er im
Resultat leicht abschätzbar und als belanglos für den zu er
reichenden Zweck erkannt ist; andererseits aber dadurch ganz
wesentliche Vorteile hinsichtlich Umfang der Rechnung und
Übersicht der Darstellung erreicht werden.
Bei den echten Fiktionen folgt der Ausfall im Laufe
der Denkrechnung notwendig aus dem Merkmal des Wider
spruchs — denn schließlich wollen wir zu widerspruchslosen