Formen des Fiktionsbegriffs
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für die Erörterungen des zweiten Teils zu schaffen, so werden
sich auch dagegen mancherlei Bedenken verbringen lassen.
Einmal ist eine klare Scheidung in notwendige und hin
reichende Bedingungen nicht in derselben Weise möglich, wie
in der Regel bei mathematischen Problemen; auch steht gar
nicht fest, ob alle Momente, die bei dieser Begriffsbildung mit-
wirken können, bisher herangezogen wurden. Sodann ist die
Feststellung der notwendigen Merkmale nicht allgemein ver
bindlich, wenn wir nicht einfach Vorschriften auf stellen, son
dern den tatsächlichen Anwendungen des Fiktionsbegriffs in
verschiedenen Wissenschaftsgebieten und bei verschiedenen
Autoren gerecht werden wollen. Schließlich können die Merk
male des Fiktionsbegriffs selbst wieder nur durch Begriffe
festgelegt werden, und jede Unbestimmtheit oder Mehrdeutig
keit derselben muß sich wieder am Fiktionsbegriff auswirken.
Trotz dieser Schwierigkeiten muß der Versuch gewagt wer
den, wenn sich die nachfolgenden mathematischen Ausführun
gen nicht in bloßen Allgemeinheiten verlieren sollen.
Die erste Gruppe von Fiktionen charakterisieren wir durch
das inhaltliche Merkmal der Unwirklichkeit.
Dieses Merkmal ist wohl allen gebräuchlichen Fassungen des
Fiktionsbegriffs gemeinsam, aber es fragt sich, ob es allein zu
dessen Festlegung ausreicht. Diese Frage kann zunächst mit
dem Hinweis beantwortet werden, daß der Fiktionsbegriff
vielfach in diesem Sinn in der wissenschaftlichen Literatur
auftritt. Allerdings soll gleich gesagt werden, daß diese Be
stimmung nur dann haltbar ist, wenn im einzelnen Fall genau
feststeht, was unter Wirklichkeit zu verstehen ist. Wir legen
diesem Fiktionstypus das Symbol A bei und können nun den
verschiedenen Abgrenzungen des Wirklichkeitsbereichs ent
sprechend folgende Untertypen festlegen:
Vom Standpunkt des Positivismus aus, für den
die Begriffe unwirklich und imaginativ etwa gleichbedeutend
sind, ergibt sich die Fiktion Ai. Die immanente Philosophie
betrachtet alles Wirkliche als bewußtseinsimmanent, alles
Transzendente, die Dinge an sich (im Sinne von M. Schlick)