Zur
Theorie der Fiktionen
als unwirklich, als fiktiv. Aber auch die andern Richtungen
des Positivismus behandeln das, was nicht unmittelbarer Er
fahrung in ihrem Sinne entstammt, als unwirklich; es sei in
dieser Hinsicht nur auf die Polemik gegen das Atom hinge
wiesen. Ebenso muß alles Denkbestimmte vom reinen Posi-
tivismus als unwirklich, als nur subjektiv betrachtet und
damit in das Gebiet der Fiktionen verwiesen werden. Dieser
Fiktionstypus Ai verdankt seine Fundierung also wesentlich
der Verabsolutierung der Erfahrung und Entwertung des
Denkens, die bei Vaihinger bis zum Verfälschen des Wirklichen
durch das Denken geht. Es sei hier noch eine Stelle aus der
Philosophie des Als-Ob angeführt, die klar zeigt, daß sich
diese Bestimmung der Fiktion auch bei Vaihinger findet; dort
heißt es 245 ):
„Überhaupt beruht die ganze Mathematik, auch die Arith
metik, auf rein imaginativer Basis“ usw. Vaihinger
zitiert noch Fresenius, der auch betone, daß die mathemati
schen Gebilde nur Abstraktionen seien. Schließlich bemerkt er,
die mathematischen Gebilde seien nicht hypothetisch, sondern
fiktiv und sagt dann: „bei ,f i k t i v' ist aber stets das Merk
mal im Auge zu behalten, das wir als das Wesen der
wissenschaftlichen Fiktion statuierten, daß es
zweckmäßige Gebilde der Einbildungskraft
seien; insofern ist ,fiktiv' ein anderer Terminus als imagi
nativ'; letzteres bezeichnet nur die Seite des Eingebildeten;
jenes aber, in unserem Sinne, hat noch das wesentliche Merk
mal der Zweckmäßigkeit“ usw.
Fiktion A 2 : Auch vom Standpunkt des Realismus aus
wird gelegentlich die Fiktion durch das Merkmal „unwirklich“
bestimmt. Nimmt man wirklich im Sinne von real, so wird
der Umfang dieses zweiten Fiktionstypus ein viel engerer
als der des ersten, da ja auch transsubjektive Dinge als wirk
lich gelten; aber er umfaßt immer noch alles Logisch-Begriff
liche; gerade daraus aber ergibt sich zugleich eine andere
Wertung des Fiktiven!
Man wird nicht mehr sagen, der Erkenntniswert der Fik
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