Die „Mathematischen Fiktionen“ in der „Phil, des Als-Ob‘ :
B etsch.
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Vaihinger als Gewährsmann Fresenius an, der die mathe
matischen Gebilde, sowohl die Gestalten als die Zahlen, nur
als Abstraktionen, Gebilde der mathematischen Ab
straktion betrachte, die nur eine Seite der Wirklichkeit, die
Ausdehnung oder die Mehrheit und Vielheit zum Gegenstand
der Untersuchung mache und die andern vernachlässige. Dann
sagt er, die mathematischen Gebilde seien keine hypothetischen
Gebilde, sondern fiktive, zweckmäßige Gebilde der Einbil
dungskraft.
Können wir die eben wiedergegebenen Anschauungen Vai-
hingers dahin zusammenfassen, daß die Grundgebilde der
Mathematik nicht wirklich, sondern imaginativ seien, so müs
sen wir seiner Argumentation nun noch einen Schritt weiter
folgen. G. Frege betont, daß wir ein Gebiet des Objektiven,
Nichtwirklichen anzuerkennen haben und behauptet
die Existenz von Dingen, die einen vom Urteilenden unab
hängigen Bestand haben 207 ), und auch A. Müller meint, die
Art, in der Gegenstände der Sinnenwelt existieren, brauche
nicht die einzige Art zu sein, in der Gegenstände überhaupt
existieren können, vielmehr handle es sich in der Mathematik
um einen eigenen Typus von Gegenständen mit ganz anderen
Bestimmtheiten als denen der sinnlichen Gegenstände, die aber
dennoch ganz unabhängig von uns, von unserem Denken
existieren 268 ).
Für Vaihinger aber ist alles Nicht wirkliche ohne weiteres
subjektiv und damit fiktiv. So sagt er: „Die ungeheure
Arbeit der modernen Wissenschaft reduziert also alles Ge
schehen ... auf einen ganz subjektiven Maßstab, der eine reine
Fiktion ist.“ Nach Kant sei der Raum subjektiv und alles
wirkliche Sein unbekannt; aber die Kantischen Beweise seien
unzulänglich; der einzig richtige Beweis sei: „der Raum ist
ein subjektives Vorstellungsgebilde, weil er voller Wider
sprüche ist“; Widersprüche zu enthalten sei aber ein
Merkmal aller echten Fiktionen; der Begriff des Raums sei
ein Nest von Widersprüchen.
Wir könnten auf die Auseinandersetzung über diesen Punkt