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Die „Mathematischen Fiktionen“ in der „Phil, des Als-Ob“
seien drei Arten, die genau und bestimmt durch die Anzahl
der Dimensionen definiert seien; zwischen diesen Begriffen
bestehe eine absolute Diskontinuität. Auf Grund des vor
stehenden Prinzips aber, wonach der Begriff des Unendlich-
Kleinen zur Stiftung einer gezwungenen Analogie dient, könne
man die Linie als eine Fläche betrachten, deren zweite Dimen
sion unendlich klein ist, die Fläche als einen Körper, dessen
dritte Dimension unendlich klein ist. Damit wäre, falls sich
dieser Standpunkt halten ließe, zu den früheren Argumenten
für die Fiktiverklärung der geometrischen Grundbegriffe
Punkt, Linie, Fläche ein weiteres gewonnen und zugleich
neben dem Moment des Unwirklichen auch das des Wider
spruchsvollen bei ihnen aufgezeigt.
Während Yaihinger selbst bemerkt, daß in den eben dar
gelegten Fällen durch die fiktive Betrachtungsweise nicht viel
gewonnen sei, meint er, es gäbe auch Fälle, wo diese mehr als
bloße dialektische Spielerei sei. Wenn nämlich die direkte
Ableitung einer Formel nicht gelingen wolle, dann sei dieser
indirekte Weg, dieser Schleichweg, das einzige Mittel, um zum
Ziele zu gelangen. Und nun erörtert Yaihinger die Ausrechnung
krummlinig begrenzter Flächenstüeke, vor allem des Kreises,
sowie die Bestimmung des Rauminhalts gewisser einfacher
Körper mit gekrümmter Oberfläche. Er meint hinsichtlich der
Berechnung des Kreises: „Wir tun, wir sprechen... — als ob
der Kreis ein regelmäßiges Vieleck mit unendlich vielen,
unendlich kleinen Seiten wäre. Wir machen also die Fiktion
unendlich vieler, unendlich kleiner Seiten“ usw. Das „Unend
lich-Kleine“ und „Unendlich-Große“ sind für Yaihinger wieder
Vermittlungsbegriffe zwischen ungleichartigen Gebilden, und
der „Durchgang durchs Unendliche“ erscheint ihm als durch
aus durchschaubarer methodischer Vorgang. „Der Wider
spruch ist für diese beiden Begriffe eben darum unentbehrlich,
weil sie Gebiete vermitteln sollen, die ungleichartig sind, deren
Definition sie einander ausschließt, weil in dem Begriff des
einen ein Element fehlt, das in dem andern enthalten ist“,
sagt er.