Fiktionen in der Mathematik
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Die fingierte Größe x -f- e ist nicht gleich x, wenn e „real“
ist, sie ist aber gleich, wenn e = 0 ist. Die ganze Rechnung
beruhe also auf einer quaternio terminorum, indem e zuerst
real, dann = 0 gesetzt werde usw. Fermat habe also den
zuerst begangenen Fehler im Verlauf der Rechnung wieder
zurückgenommen, indem er e einfach herausfallen ließ.
Die hier dargelegten Auffassungen erinnern stark an eine
Abhandlung von Carnot 288a ), in der beide Momente, das des
doppelten Fehlers und das des Bedeutungswechsels der Größe e
ganz klar hervortreten.
E. Boerma 289 ) hat sich vor allem mit diesen Ausführungen
Vaihingers auseinandergesetzt und will darin die Verquickung
verschiedener Gedankengänge feststellen:
1, Zuerst handle es sich um ein fiktives System mit
den drei Stufen;
a) fiktives Anfangsglied: falsche Gleichsetzung (I) =(II);
x 2 (a — x) = (x + e) 2 (a — x — e) (1)
b) reguläres Mittelstück: Rechnung nach den üblichen
algebraischen Regeln mit dem Ergebnis
0 = 2 a x — 3x s -f ae — Sex — e 2 (2)
c) fiktives Endglied: Aus Gleichung (2) werde fälschlicher
weise die Folgerung gezogen
0 — 2 a x — 3 x 2 (3)
2. In der nachherigen Argumentation Vaihingers handle es
sich um ein regularisiertes System: e mache einen
doppelten Bedeutungswechsel durch: Mit e — 0 werde Glei
chung (1) aufgestellt, sodann aber mit dieser Gleichung ge
rechnet, als ob e nicht 0 wäre, bis Gleichung (2); dann werde
e wieder = 0 gesetzt, wodurch man das richtige Resultat er
halte. E. Boerma hält den Gedankengang des „fiktiven
Systems“ für einwandfrei; er behauptet aber, Vaihinger habe
die Notwendigkeit einer logisch einwandfreien Begrün
dung eines fiktiven Systems verkannt, ja er würde sogar die
Möglichkeit derselben leugnen, da ihm auch die Grenzbetrach
tung widerspruchsvoll und fiktiv erscheine.