Die „Mathematischen Fiktionen“ in der „Phil, des Als-Ob 1
seien Kunstgriffe, deren richtiger Erfolg nur auf der Methode
der entgegengesetzten Fehler beruhe.
Daß Vaihinger bei dieser Auffassung zuletzt zu dem Er
gebnis kommt: „Es ist Unsinn, aber es ist Methode
darin. Darin besteht — derb ausgesprochen — das Ge
heimnis der Infinitesimalrechnung“ 201 ), wird uns jetzt kaum
mehr wundern. Aber wir müssen hier gleich sagen, daß durch
solche Philosophie nichts Wesentliches zur Klärung des
schwierigen Problems der Infinitesimalrechnung beigetragen
werden kann, wenn wir auch nicht in Abrede stellen wollen,
daß durch sie das Bedürfnis nach gründlicher Untersuchung
der „heiklen“ Fragen der Mathematik besonders eindringlich
gemacht wird. Dies wird besonders von Pasch betont, aber es
muß im Interesse der historischen Wahrhaftigkeit gesagt
werden, daß die vielen Arbeiten, die von mathematischer Seite
diese Klärung suchten und förderten, meist vor Vaihingers
Werk erschienen, also nicht erst durch die Philosophie des
Als-Ob veranlaßt wurden.
Zum Schluß dieses Kapitels sei noch auf ein Buch von
W. Dieck verwiesen, das kurze Zeit nach Einreichung vor
liegender Preisarbeit unter dem Titel „Der Widerspruch im
Richtigen“ erschien 291a ). Der Verfasser behandelt das Problem
der Fiktionen in der Mathematik durchaus im Sinne Vaihin
gers, unter hauptsächlicher Betonung des Widerspruchsvollen
in den mathematischen Methoden und Begriffsbildungen.
Ob eine Frage, die noch so sehr wissenschaftlicher Klärung
bedarf, sich zu einer „gemeinverständlichen“ Darstellung
eignet, soll hier nicht untersucht werden. Aber zwei Punkte
seien hervorgehoben:
1. Es geht nicht an, seine Zuflucht zum sog, „gesunden
Menschenverstand“ zu nehmen, wo wissenschaftliche Beweis
gründe fehlen. (Vgl. den Abschnitt über die äußere Teilung
einer Strecke.)
2. Damit, daß man für eine Auffassung geschichtliche Be
lege liefert, hat man ihre Richtigkeit nicht dargetan; histo
rische Notizen sind keine Beweisgründe, sonst müßte z. B. der
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