Full text: Fiktionen in der Mathematik

Die 
natürlichen Zahlen 
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auch logisch einfacher, von zwei Mengen festzustellen, ob sie 
die gleiche Zahl von Elementen haben, als zu definieren, 
welches diese Zahl ist; er benützt zu dieser Feststellung den 
Begriff der ein-eindeutigen Beziehung, und nennt dann Men 
gen ähnlich, wenn es eine ein-eindeutige Beziehung gibt, die 
jedes Element der einen Menge einem Element der andern 
Menge zuordnet. Der Akt des Zählens besteht in der Auf 
stellung einer ein-eindeutigen Beziehung zwischen der Reihe 
der gezählten Gegenstände und den natürlichen Zahlen, die 
bei dem Prozeß aufgebraucht werden. 
Man schließt demnach, daß in der zu zählenden Menge so 
viele Gegenstände vorhanden sind, wie es Zahlen gibt bis zur 
letzten Zahl, die beim Zählen gebraucht wird; diese gibt also 
die Anzahl der Elemente der Menge an. Dabei wird aber vor 
ausgesetzt, daß ähnliche Mengen die gleiche Zahl von Gliedern 
haben; außerdem ist der Schluß nur bei endlichen Mengen er 
laubt. Der Ähnlichkeitsbegriff wird also beim Zählen voraus 
gesetzt und er ist einfacher. Denn beim Zählen muß man die 
Elemente in einer gewissen Reihenfolge nehmen, aber das 
Wesen der Zahl besteht nach Russell nicht in der Ordnung. 
Diese ist ein Zusatz, eine unnötige Komplikation; der Begriff 
der Ähnlichkeit setzt den Ordnungsbegriff nicht voraus; auch 
verlangt er nicht, daß man sich auf endliche Mengen be 
schränkt. Da nun Russell eine Definition der Zahl will, die 
nicht nur auf endliche Zahlen anwendbar ist, geht er vom Be 
griff der Ähnlichkeit aus. 
Er denkt sich immer die Mengen in ein Bündel zusammen 
gefaßt, die einander ähnlich sind, und definiert: Mengen haben 
die gleiche Gliederzahl, wenn sie ähnlich sind. Dann ergibt 
sich ihm als Definition der Zahl der Satz: Die Zahl 
einerMenge ist die Menge aller ihr ähnlichen 
Mengen 389 ). Der Satz klingt zwar im ersten Augenblick 
paradox, aber man kann ihm einen tieferen Sinn nicht ab 
streiten. Russell meint, man denke natürlich, daß die Menge 
der Paare etwas von der Zahl 2 Verschiedenes sei; aber über 
die Menge der Paare bestehe selbst keine Unsicherheit, wäh-
	        
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