Fiktionen in der Mathematik
228
rend die Zahl 2 in irgendeinem Sinn etwas Metaphysisches
sei, von dem wir nicht das sichere Gefühl haben, daß es
existiert, oder daß wir es ergründet haben; daher begnügt er
sich lieber mit der Menge der Paare, die ihm sicher ist.
Allgemein ergibt sich ihm als Definition der Zahl der Satz:
Eine Zahl ist etwas, das die Zahl einer Menge ist. Russell
sucht zu zeigen, daß diese Definition keinen Zirkel enthalte.
Nach dieser logischen Definition der Zahl geht er daran, das
System von Grundbegriffen und Grundsätzen umzugestalten.
Zunächst definiert er die „natürlichen Zahlen“ mittels der
beiden anderen Grundbegriffe, wodurch von den fünf Grund
sätzen zwei überflüssig werden, der erste und der letzte. Der
fünfte wird also nicht mehr als Prinzip aufgefaßt, sondern als
Definition. Sodann wird auch die Null durch die allgemeine
Definition der Zahl ausgedrückt: „0 ist die Menge, deren ein
ziges Element die Nullmenge ist.“ Für N achfolger ergibt
sich folgende Definition: „Der Nachfolger der Zahl der
Elemente in einer Menge a ist die Zahl der Elemente der
Menge, die aus « und einem x besteht, wo x ein Element ist,
das nicht zu der Menge gehört“ 390 ), Russell behauptet, auf
diese Weise die drei Grundbegriffe Peanos auf logische Be
griffe zurückgeführt, sie so definiert zu haben, daß sie nicht
mehr oo viele Bedeutungen haben können, sondern etwas
Bestimmtes geworden seien.
Durch diese Definition der Grundbegriffe sieht sich Russell
zugleich in der Lage, die Grundsätze Peanos beweisen zu kön
nen; er meint, damit sei erwiesen, daß die gesamte reine
Mathematik, soweit sie sich auf der Theorie der natürlichen
Zahlen aufbaut, nur eine Erweiterung der Logik darstelle.
In welcher Weise Russell das durchführt, zeigt sich be
sonders deutlich am Grundsatz 5 von Peano, dem Prinzip der
mathematischen Induktion. Während Poincare dasselbe als
synthetisches Urteil a priori betrachtet, sieht Russell darin eine
reine Definition der „natürlichen Zahlen“; sie sind die Zahlen,
auf die man die mathematische Induktion bei Beweisen an
wenden kann, während es andere Zahlen gibt, auf die sie nicht