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Fiktionen in der Mathematik
Der Sinn der Multiplikation geht aus den Formeln hervor:
1 X m = m; n' X m = (n X m) + m.
Durch den Induktionsschluß werden dann das distributive,
assoziative und kommutative Gesetz bewiesen.
Das Iterationsprinzip, das hier überall zur Ver
wendung kommt, ist ein spezifisch mathematisches Prinzip;
es bringt die Bedeutung der natürlichen Zahlen zur Geltung,
denn deren Reihe ist das allgemeine abstrakte Schema eines
Vorgangs, der aus der Iteration eines elementaren Prozesses
besteht.
H. Weyl verwendet dieses Prinzip nun auch, um zu zeigen,
daß die Anzahl einer aus Elementen einer bestimmten
Grundkategorie bestehenden Menge eine Funktion dieser
Menge ist. Die Nullmenge in der Kategorie der eindimen
sionalen Mengen natürlicher Zahlen nennt man die „Anzahl 0“,
die Allmenge die „Anzahl oo“, die Menge der natürlichen
Zahlen <n die „Anzahl n“. H. Weyl meint, man sehe so, wie
die Rolle, welche die Zahlen als „Kardinalzahlen“ zur Anzahl
bestimmung spielen, auf ihre ursprüngliche, die Iteration in
abstrakter Reinheit darzustellen, zurückgeführt werden könne;
jedenfalls lasse sich dieser Standpunkt logisch rechtfertigen,
wenn auch der Anzahlbegriff erkenntnistheoretisch vielleicht
als etwas Primäres, vom Begriff der Ordinalzahl Unabhän
giges, zu betrachten sei.
H. Weyl ist der festen Überzeugung, „daß die Vorstel
lung der Iteration, der natürlichen Zahlen
reihe, ein letztes Fundament des mathemati
schen Denkens ist — trotz der Dedekindschen „Ketten
theorie“, die darauf hinzielte, die Definition und den Schluß
durch vollständige Induktion syllogistisch ohne Benutzung
dieser Anschauung zu begründen.“ Er meint, wenn die Grund
begriffe der Mengenlehre nur durch Vollzug dieser „reinen“
Anschauung aufgefaßt werden können, so sei es überflüssig
und irreführend, den Begriff der natürlichen Zahl mengen
theoretisch zu fundieren. Das Große der Mathematik erblickt