Full text: Fiktionen in der Mathematik

Fiktionen in der Mathematik 
270 
Ideen zu fassen; und ehe wir sie nicht haben, können wir sie 
auch nicht zuordnen. 
E. Heine 430 ) und I. T h o m a e 431 ) haben Theorien der 
Irrationalzahlen gegeben, die äußerlich mit der Cantorschen 
zusammenfallend scheinen. Auch bei ihnen handelt es sich um 
Zahlenfolgen ähnlich den Fundamentalreihen, denen ebenfalls 
gewisse Zeichen zugeordnet werden. Frege meint aber, für 
Cantor sei wohl die Bedeutung der Zeichen das Wesentliche, 
für Heine und Thomae dagegen seien die Zeichen alles. Als 
Beleg dafür führt Frege folgende Stellen an: 
Heine sagt: „Die Frage, was eine Zahl sei, beantworte ich, 
wenn ich nicht bei den rationalen positiven Zahlen stehen 
bleiben will, nicht dadurch, daß ich die Zahl begrifflich 
definiere, die irrationalen etwa gar als Grenze einführe, deren 
Existenz eine Voraussetzung wäre. Ich stelle mich bei der 
Definition auf den rein formalen Standpunkt; indem ich 
gewisse greifbare Zeichen Zahlen nenne, so daß die Existenz 
dieser Zahlen nicht in Frage steht.“ Nach Frege wird aber 
gerade dadurch die Absicht, die Arithmetik rein von allen 
fremden, auch geometrischen, Beimischungen hinzustellen, sie 
auf Logik allein zu gründen, verfehlt; denn er meint, wenn 
man es nicht verschmähe, sich auf die Greifbarkeit der Zahlen 
zu stützen, so könnte man sich auch auf Raumanschauung 
berufen. 
Thomae schreibt: „Die formale Auffassung der Zahlen 
zieht sich bescheidenere Grenzen als die logische. Sie fragt 
nicht, was sind und was wollen die Zahlen, sondern sie fragt, 
was braucht man von den Zahlen in der Arithmetik. Die Arith 
metik ist nun für die formale Auffassung ein Spiel mit 
Zeichen, die man wohl leere nennt, womit man sagen will, daß 
ihnen (im Rechenspiel) kein anderer Inhalt zukommt, als der, 
der ihnen in bezug auf ihr Verhalten gegenüber gewissen Ver 
knüpfungsregeln (Spielregeln) beigelegt wird“ usw. 
Frege bemerkt, daß Thomae die Arithmetik doch in einen 
gewissen Gegensatz zum Schachspiel stelle, wenn er auf die 
Dienste hin weise, die sie der Naturerklärung leisten können.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.