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Fiktionen in der Mathematik
sei „das Gesetz der Stellordnung überhaupt, welches vor aller
diskreten Zahlsetzung und für sie, insbesondere vor aller
Maßbestimmtheit, das positive Grundmerkmal der Zahl als
Gattung ausmacht“ 439 ). Da nun nach seiner Meinung die
irrationalen Werte mit den rationalen von Anfang an in einer
Reihe vereint gesetzt werden können, handle es sich bei der
Einführung der Irrationalzahlen um eine durchaus berechtigte
Erweiterung des Zahlbegriffs; der vorherige Zahlbegriff war
zu eng, denn eben die Beziehung des Mehr oder Weniger, das
Grundgesetz der Folge der Glieder sei das die
Zahl überhaupt konstituierende Merkmal.
C. Komplexe Zahlen.
Hinsichtlich der imaginären und der gewöhn
lichen komplexen Zahlen können wir bei den maß
gebenden Autoren vier Auffassungen unterscheiden:
1. Eine erste Gruppe verzichtet auf eine eigentliche Be
gründung und begnügt sich mit dem Faktum der außerordent
lich vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten der komplexen
Zahlen; daß dabei widerspruchsfreie Resultate entstehen, er
scheint Begründung genug.
2. Eine andere Gruppe führt die imaginären bzw. kom
plexen Zahlen rein formalistisch ein. Im Gebiet der
rationalen Zahlen sind die Operationen der Addition, Multi
plikation, Subtraktion und Division unbeschränkt ausführbar.
Das Radizieren dagegen ist nur in beschränktem Umfang
möglich. Die Forderung unbeschränkter Ausführbarkeit führt
im Gebiet der positiven Zahlen auf die Einführung der irratio
nalen, im Gebiet aller reellen Zahlen auf die der imaginären
Zahlen. Die imaginären Zahlen werden lediglich als Symbole
betrachtet, die nur den formalen Gesetzen der Arithmetik zu
genügen haben. Die Permanenz der formalen Gesetze ist der
maßgebende Gesichtspunkt.
Wesentlich anderer Art sind die Begründungen der imagi
nären und komplexen Zahlen, die H. Graßmann und Scheffler