Fiktionen in der Mathematik
288
tionen der Algebra über die Zahl hinausreichen. Ihre Gesetze,
obgleich durch die Arithmetik ursprünglich dargeboten, hän
gen doch an sich von ihr nicht ab, sondern von bloßer Über
einkunft 445 ), Damit treffen wir auch hier auf den konventiona-
listischen Standpunkt.
Auch in Schulbüchern und populären Schriften findet man
häufig den Standpunkt vertreten, den wir hier durch ein
Zitat von A. Schuster charakterisieren: „Die Wurzel aus
— 3 ist aber nicht weiter angebbar, denn wir kennen keine
Größe, die, mit sich selbst multipliziert, etwas Negatives er
gäbe, da sowohl (-j- m) 2 als (— m) 2 ein positives m 2 ergibt. Die
Größe |/— a erhält erst wieder einen Sinn und eine Bedeu
tung, wenn man sie ins Quadrat erhebt, wobei sie dann eine
negative Größe darstellt. Zum Unterschied von den übrigen
Größen, die jederzeit eine rechnerisch verwertbare Form
haben und daher reelle heißen, nennt man diejenigen von
der Form ]/ — a imaginäre, d. h. eingebildete“ 445 *).
Diese Auffassung scheint direkt aus dem 18. Jahrhundert
importiert zu sein; über die Bemühungen, die imaginäre Zahl
wirklich zu begründen, hat sich der Autor einfach weggesetzt.
Daß im Gebiet der reellen Zahlen Y~ 3 nicht vorkommt, geben
wir gerne zu, aber ebenso kommt nicht im Gebiet der
rationalen und nicht unter den ganzen Zahlen vor.
Wir fassen die Ergebnisse dieser Untersuchungen dahin
zusammen, daß auch im Gebiet der Zahlerweiterungen Fik
tionen nicht auftreten, falls man den Widerspruch als wesent
liches Charakteristikum der Fiktion betrachtet und die Zahl
erweiterungen einwandfrei einführt, was nach unserer An
sicht möglich ist. In anderem Sinn könnte man noch von Fik
tionen reden, wenn man den Zahlbegriff entsprechend einengt,
so daß er nicht alle hier aufgeführten Typen umfassen kann;
dafür finden wir aber im Gebiet der Mathematik selbst keine
zwingenden Gründe.