Full text: Fiktionen in der Mathematik

Das Unendliche in der Mathematik. Mengenlehre 
unendlichen Wiederholung beruht auch die Unfruchtbarkeit 
aller Versuche, die Infinitesimalrechnung auf einer Theorie 
unendlich kleiner Größen aufzubauen.“ Zur Definition eines 
Integrals bedarf man, um von unendlich kleinen zu endlichen 
Größen zu gelangen, einer unendlich wiederholten Addition, 
die Definition dieser Wiederholung stößt aber auf Schwierig 
keiten. Dagegen bietet nach Hessenbergs Ansicht die Lehre 
von den wohlgeordneten Mengen eine der glücklichsten Defini 
tionen der unendlichen Wiederholung vermittelst ihres mengen 
theoretischen Limes, der bei analogen formalen Eigenschaften, 
die er mit dem analytischen Grenzbegriff gemeinsam hat, im 
Gegensatz zu diesem über den Ordnungstypus w hinauszu 
gehen gestattet. 
Zur zweiten These, die vielfach auf Widerspruch stoßen 
wird, bemerkt Hessenberg, es könne keinen Satz geben, der 
für alle ganzen Zahlen gelte, wenn nicht alle diese ganzen 
Zahlen als existierend angesehen werden. Das Zählprinzip sei 
eine unter vielen Methoden und unter diesen logisch die erste, 
uns eine bestimmte Zahl vor das Bewußtsein zu stellen; die 
Zahl werde aber dadurch nicht erzeugt, das Zählprinzip 
sei ein Ordnungsprinzip 460 ). 
Wenn so Hessenberg die Unzulänglichkeit der Erzeugungs 
prinzipien zur Begründung der Eigenschaften der Zahlen 
reihe darlegt, so kommt er zu dem Schluß, daß nur ein zweites 
Verfahren bleibe, um zu einer dogmatischen Theorie der 
Menge G zu gelangen, d. h. zu einer Theorie, die alle Sätze aus 
einem einfachen System von Grundsätzen logisch ableitet: 
Man verzichtet auf eine Definition der Zahl, betrachtet diese 
als Grundbegriff und stellt eine hinreichende und notwendige 
Zahl evidenter Sätze über den Zahlbegriff als Axiome auf. 
Zu jeder Axiomatik gehört nun aber, wie Hessenberg be 
merkt, als stillschweigendes Postulat die für den formalisti 
schen Aufbau gleichgültige und daher vielfach übersehene 
Annahme, daß es Dinge der beschriebenen Art wirklich gibt. 
Wie man in der Geometrie diesen Nachweis dadurch erbringt, 
daß man sich auf die Existenz der Zahlengebilde stützt, haben
	        
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