Das Unendliche in der Mathematik. Mengenlehre
nays lag das nicht in den Ansätzen von Frege und Russell,
sondern in dem falsch gestellten Problem; denn nach seiner
Meinung stehen Mathematik und Logik nicht im Verhältnis
von Besonderem und Allgemeinem zueinander, sondern es
handelt sich bei ihnen um zwei verschiedene Richtungen der
Abstraktion:
Die Logik hat es mit dem inhaltlich Allgemein
st e n zu tun, die reine Mathematik aber ist die Lehre
von den formalen Beziehungen und Eigenschaften.
Wir wenden uns nun naturgemäß dem Begründungsversuch
der Mengenlehre zu, bei dem die axiomatische Einstellung von
Anfang an aufs schärfste betont wird.
E. Zermelo lieferte 1904 einen Beweis für den Satz, daß
jede Menge in eine wohlgeordnete Menge verwandelt werden
kann. Gegen diesen Beweis wurden von verschiedenen Seiten
Einwände erhoben, von denen uns vor allem die gegen das
von Zermelo benützte Auswahlpostulat gerichteten
interessieren. Zermelo verteidigte sich in einem zweiten Auf
satz 481 ) besonders gegen die Angriffe von Peano und Borei, die
einen Beweis für das Auswahlpostulat vermißten. Zermelo
betont, daß er ja gerade behauptet habe, dieses Postulat sei
unbeweisbar und damit logisch unabhängig von den übrigen
Axiomen. Unbeweisbarkeit sei aber in der Mathematik nicht
gleichbedeutend mit Ungültigkeit, da man doch nicht alles be
weisen könne, sondern letzte unbeweisbare Prinzipien an
nehmen müsse. Man hätte also, um das von ihm benützte
Grundprinzip verwerfen zu können, zeigen müssen, daß es in
besonderen Fällen ungültig sei oder auf widersprechende Kon
sequenzen führe.
Zermelo weist dann mit Recht darauf hin, daß auch Peano
sich beim Aufbau seines Systems auf gewisse Grundprinzipien
stützen mußte, die er auch nicht beweisen konnte, und zu
denen er nur kommen konnte durch Analyse der historisch an
erkannten Schluß weisen, durch den Hinweis auf ihre anschau
liche Evidenz und das wissenschaftliche Bedürfnis. Alle diese
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