Full text: Fiktionen in der Mathematik

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Piktionen in der Mathematik 
sein, sondern er muß dem Wort Menge schon einen be 
stimmten anschaulichen Sinn beigelegt haben, der all seinen 
Aussagen vorausgeht, meint Poincare. Eine Menge sei sozu 
sagen etwas Festes, Unveränderliches; eine Klassifikation, die 
wohlbestimmt sei. Der von Zermelo eingeführte Begriff 
definit sei synonym mit wohlbestimmt, aber nicht identisch. 
Zermelo versage es sich, eine Gesamtheit von Objekten zu 
betrachten, die einer gewissen Bedingung genügen, weil er der 
Ansicht sei, daß eine solche Gesamtheit niemals geschlossen 
sei und man stets neue Elemente in sie einführen könne, da 
gegen rede er von einer Gesamtheit von Dingen, die einer be 
stimmten Menge M angehören, und die überdies einer bestimm 
ten Bedingung genügen. Nach dieser Meinung könne man eine 
Menge nicht besitzen, ohne im Besitze aller ihrer Elemente zu 
sein. Dadurch, daß Zermelo die Menge an die Spitze stelle, 
habe er eine Umfriedungsmauer aufgerichtet, aber es sei nicht 
sicher, ob er den Wolf nicht mit in den Schaf stall geschlossen 
habe, sagt Poincare. 
Die Angriffe Poincares auf das Zermelosche System werden 
erst recht verständlich, wenn man sie in Zusammenhang mit 
seiner Auffassung der Mathematik überhaupt bringt. H. Poin 
care bekämpft vor allem die Ansicht, als könnte die ganze 
Mathematik aus der formalen Logik hervorgehen, daher 
scheinen ihm auch die Ziele der Logistiker verfehlt. In diesem 
Kampf gegen die Peanosche Schule und manche Anhänger 
Cantors geht er so weit, das aktual Unendliche überhaupt ab 
zulehnen. 
Vor allem ist es immer wieder das Induktionsprinzip, 
das Poincare seinen Gegnern als unbeweisbar, als synthe 
tisches Urteil a priori, vorhält, und ihre Versuche, dasselbe 
als Definition der endlichen oder induktiven Zahlen aus 
zugeben, weist er damit zurück, daß jede Definition durch 
Axiome den Nachweis der Widerspruchslosigkeit verlange, 
daß dazu im Gebiet der Zahlen aber selbst das Induktions 
prinzip vorausgesetzt werden müsse. 
B. Russell gegenüber betont Poincare, daß er der Logik ein
	        
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