Full text: Fiktionen in der Mathematik

Fiktionen in der Mathematik 
matischer Färbung an; als solche sind zu nennen das Problem 
der prinzipiellen Lösbarkeit einer jeden mathematischen 
Frage, das Problem der nachträglichen Kontrollierbarkeit des 
Resultats, die Frage nach dem Verhältnis zwischen Inhaltlich- 
keit und Formalismus in Mathematik und Logik, das Problem 
der Entscheidbarkeit einer mathematischen Frage durch eine 
endliche Anzahl von Operationen. Um dieses ganze For 
schungsfeld zu erobern, muß nach Hilberts Ansicht der Be 
griff des mathematischen Beweises selbst zum 
Gegenstand der Untersuchung gemacht werden. 
Die Versuche von Frege und Russell, die Widerspruchslosig- 
keit der Arithmetik durch Zurückführung auf die Logik allein 
zu erweisen, wurden schon besprochen; ebenso das Verfahren 
der Intuitionisten, die existentiale Form der Axiome zu be 
seitigen und sie durch Konstruktionspostulate zu ersetzen. 
D. Hilbert und P. Bernays bestreiten, daß auf diesem Weg der 
verlangte Nachweis geliefert werden könne. 
D. Hilberts Idee kommt darauf hinaus, den Nachweis auf 
primitiv-anschaulicher Grundlage zu führen. 
Hilbert macht sich dabei das positiv Fruchtbare der beiden 
ersten Begründungsversuche zu eigen: Der logischen 
Theorie entnimmt er die strenge Formalisierung des 
Schließens; darnach ist das formale Abbild der arithmetischen 
Sätze und Beweise Gegenstand, das inhaltliche Denken über 
diesen Formalismus Inhalt der Theorie. Die konstruktive 
Tendenz der Intuitionisten behält Hilbert ebenfalls 
bei, nur soll das „Vorurteil“ fallen, als müsse jede solche Kon 
struktion eine Zahlkonstruktion sein. 
Die durch ein Axiomensystem ermöglichte Schlußweise kann 
als Ganzes durch einen formalen Prozeß ersetzt werden, in 
dem an Stelle der Allgemeinbegriffe wie Zahl, Funktion usw. 
bestimmte Zeichen treten. 
Die Methode des Formalisierens soll so nicht bloß Mittel 
zum Beweis der Widerspruchslosigkeit, sondern 
zugleich Weg zu einem streng konstruktiven Aufbau 
der Arithmetik sein. 
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